Studie wiederlegt Mythos der herzgesunden Eskimos

Studie wiederlegt Mythos der herzgesunden Eskimos

Soeben wurde im Canadian Journal of Cardiology ein wissenschaftlicher Übersichtsartikel unter dem Titel „Fishing’ for the origins of the ‘Eskimos and heart disease’ story. Facts or wishful thinking?“ veröffentlicht. Die vier Autoren des Artikels, George J. Fodor, EftyhiaHelis, NargesYazdekhasti [&] BranislaVohnout, widmen sich der Frage, inwiefern die fischreiche Ernährung von Eskimos (Inuit) in Grönland und auch in Kanada diesen einen Schutz vor Herzerkrankungen verschaffen könnte.

Nach einer methodenkritischen Analyse aller wissenschaftlichen Untersuchungen zu dieser Thematik gelangen die vier Autoren zu dem Schluss, dass es inkorrekt sei, dass Eskimos seltener an Herzerkrankungen litten.

Damit entfällt ein immer wieder vorgebrachtes Argument gegen die vegane Ernährung, gemäß dessen es gesund sei, wie das Beispiel der Inuit zeige, große Mengen unverarbeiteter Tierprodukte zu konsumieren.

Ergebnisse im Einzelnen

Die Autoren des aktuellen Artikels zeigen auf, dass die ursprüngliche “Fisch-Geschichte” in den 1970ern mit den Forschungen der beiden dänischen Ärzte Hans Olaf Bang und Jorn Dyerberg begann, die die Ernährung der Eskimos in Grönland untersuchten. Beide Ärzte wollten herauszufinden, wie sich die nach bereits damals kursierenden anekdotischen Berichten geringere Rate an Herzerkrankungen bei den Eskimos erklären könnte.

Ergebnis der Forschungen von Bang und Dyerberg war, dass die Eskimos mehr Protein, weniger Kohlenhydrate und mehr Fischöle im Vergleich zur restlichen dänischen Bevölkerung verzehrten.

Die Untersuchungen beider Forscher werden seither immer wieder als Beleg für eine geringe Rate an Herzerkrankungen bei Eskimos. Tatsächlich hatten Bang und Dyerberg jedoch die Herzgesundheit ihrer Probanden gar nicht untersucht. Vielmehr bezogen sich beide Forscher im Hinblick auf die Herzgesundheit von Eskimos ausschließlich auf Sterbedaten, gemäß deren die Todesursache Herzinfarkt bei Eskimos erheblich seltener aufzutreten schien.

Fodor et al legen nunmehr in ihrem neuen Forschungsartikel überzeugend dar, dass es ein Fehler war, von den Sterbedaten auf die tatsächliche Häufigkeit von Herinfarkten zu schließen. Denn Eskimos hatten damals einen erheblich geringeren Zugang zu medizinischer Diagnostik und Versorgung, so dass oftmals eine medizinisch begründete Feststellung der Todesursache gar nicht erfolgte. Die scheinbar geringere Rate an Herzerkrankungen, die Bang und Dyerberg aus Sterbedaten entnahmen, begründete sich insofern aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit einer tatsächlich geringeren Rate an Herzerkrankungen, sondern mit dem schlechteren Zugang der Eskimos zu modernen medizinischen Diagnose- und Behandlungsmethoden.

Fodor et al zeigen darüber hinaus auf, dass die Behauptung einer geringeren Anzahl an Herzerkrankungen bei Eskimos bereits bei ihrer Aufstellung nicht unumstritten gewesen war. So habe der dänische Arzt Bertelsen 1940 über eine besonders große Häufigkeit von Herzerkrankungen bei Eskimos berichtet.Gemäß der Zusammenstellung der Befunde durch Fodor et al, die alle in Englisch oder Dänisch vorliegenden Studien berücksichtigten, beobachteten spätere Forschungsarbeiten ein gleichhohes oder ein höheres Erkrankungsrisiko bei Eskimos in Grönland und Kanada.

Bezüglich der Gesundheit der Eskimos zeigen dabei die Datenauswirkungen von Fodor et al in der Gesamtbetrachtung, dass Eskimos ungefähr die gleich hohe Anzahl an Herzerkrankungen aufweisen wie andere Populationen, sich aber durch ein sehr viel höheres Schlaganfallrisiko und eine um ca. 10 Jahre kürzere Lebenserwartung kennzeichnen.

Bei der behaupteten geringeren Häufigkeit des Auftretens von Herzerkrankungen bei Eskimos handelt sich insofern offenbar um eine Fiktion, die trotz des Fehlens einer wissenschaftlichen Fundierung seit Jahrzehnten weiter gegeben und sogar in wissenschaftlichen Fachartikeln zitiert worden ist. Die aktuelle im Canadian Journal of Cardiology veröffentlichte Forschungsarbeit ist daher auch ein Lehrstück darüber, wie selbst im Bereich der Wissenschaft Mythen entstehen können, deren tatsächliche Basis niemals überprüft wird und die dennoch als Tatsachen unkritisch von einer Generation an die nächste Generation weitergegeben werden.

Diskussionen zur veganen Ernährung

Der Verweis auf die angebliche Herzgesundheit von Eskimos wird auch in der Diskussion über die vegane Ernährung immer wieder von Gegnern einer pflanzenbasierten Ernährung des Menschen vorgebracht. In seiner Extremform führt dies vegan-kritische Argument zur sogenannten Steinzeit-Diät (Paläo-Diät), die den Konsum hoher Mengen unverarbeiteter tierischer Lebensmittel als eine angeblich gesunde und dem Menschen in seiner Ursprünglichkeit entsprechende Ernährung postuliert. Demgegenüber weisen Forschungsbefunde, die direkt die Auswirkungen einer veganen, rein pflanzlichen Ernährung auf die Gesundheit beobachten, übereinstimmend auf besonders geringe Häufigkeiten von Krebserkrankungen, Herzerkrankungen, Diabetes und von Übergewicht bei vegan lebenden Personen hin (siehe auch hier zu globalen Maßen der Gesundheitsförderlichkeit veganer Ernährung).

Die scheinbar gute Gesundheit der Eskimos, die sich vorwiegend durch tierische Produkte ernähren, schien lange Zeit den Befunden zu Gesundheitsvorteilen einer pflanzenbasierte, vegetarischen oder sogar veganen Ernährung als Paradoxon und Rätsel gegenüber zu stehen. Durch die aktuelle Forschungsarbeit von Fodor et al ist dies Rätsel nunmehr gelöst, indem die gute Herzgesundheit der Eskimos als Mythos enttarnt wurde.

In Anbetracht der erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Eskimos bewerten Fodor et al es in ihrem Forschungsartikel im Übrigen als erstaunlich, dass die Ernährung der Eskimos jemals als potentiell gesundheitsförderlich und nicht stattdessen als gefährlich angesehen worden war. Hintergrund hierfür mag auch eine naive Idealisierung der oftmals schweren Lebensbedingungen sogenannter "Naturvölker" gewesen sein.

Fischöl-Präparate

Interessanterweise stützt sich die Annahme, dass Fischöle Herzerkrankungen entgegenwirken könnten, ebenfalls historisch auf den Mythos der guten Herzgesundheit der Eskimos. Im Rahmen ihrer aktuellen Auswertung von Forschungsbefunden zu möglichen kardioprotektiven Auswirkungen von Fischöl und den Omega-3 Fettsäuren gelangen Fodor et al zu der Schlussfolgerung, dass die Ergebnisse vieler neuerer Studien uneindeutig oder sogar negativ seien.

Die mittlerweile milliardenschwere Industrie zur Herstellung von Fischölpräparaten verdankt demnach ihren Erfolg nicht der Wirksamkeit ihrer Produkte, sondern maßgeblich einem nunmehr widerlegten Mythos.

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