Öko-Test irrt zu veganen Aufschnitten

Öko-Test irrt zu veganen Aufschnitten

Öko-Test wertet in seinem neusten Testbericht vegane Aufschnitte reihenweise wegen zu hohen Salzgehaltes, Mineralölrückstände oder umstrittener Zusatzstoffe ab. Tatsächlich sind die veganen Produkte jedoch deutlich salzarmer gewesen als die fleischlichen Originale. Zudem enthielten die veganen Produkte nur sehr wenige umstrittene Zusatzstoffe, hauptsächlich das pflanzliche Carrageen. Mineralölrückstände sind wiederum kein veganes Problem, sondern ein allgemeines Problem verarbeiteter und verpackter Lebensmittel. Öko-Test verpasst es, ökologische Verträglichkeit mit als Bewertungskriterium zugrundezulegen. Zudem ist wenig verständlich, warum bei Fleischprodukten angebliches "Tierwohl" bewertet wird, dies Kriterium aber ausgerechnet bei veganen Produkten nicht verwandt wird.

Erneut berichten die Medien von ungesunden veganen Produkten. Viel zu salzig seien sie, Mineralöle würden sie enthalten und diverse Zusatzstoffe. So titelt das Redaktionsnetzwerk Deutschland:

  • Öko-Test: 13 von 19 veganen Aufschnitten „mangelhaft“ oder „ungenügend“.

Hängen bleibt bei den Leser:innen also auf den ersten Blick, dass vegane Produkte irgendwie ungesund seien.

Der erste Eindruck ist wichtig und oft meinungsbildend, in der Psychologie wird vom Primacy-Effekt gesprochen.

Umso wichtiger für ein Magazin wie Öko-Test, dass es reflektiert, wie es seine Ergebnisse darstellt. Leider hat Öko-Test dies bei seiner aktuellen Bewertung veganer Aufschnitte nicht ausreichend getan. Nachglesen lässt sich dies in den sozialen Netzwerken, wo sich Omnivoren, die sich von Produkten der Massentierhaltung ernähren, bestätigt fühlen.

Grund ist, dass die Befunde werden nicht in die entscheidenden Kontexte gesetzt und die Ergebnisse stark negativ verkürzt wurden:

  • Im Test: 19 Mal vegane Wurst. Die veganen Aufschnitte ahmen unter anderem Salami, Lyoner, Schinkenwurst oder Mortadella nach.
  • Die Mehrheit der getesteten Produkte enttäuscht mit ihren Gesamturteilen.
  • Verunreinigungen mit Mineralöl sind ein Problem. Außerdem setzen viele Hersteller auf ein umstrittenes Verdickungsmittel und verwenden aus unserer Sicht zu viel Salz.

Beginnen wir mit dem Salz ...

Gemäß der Verbraucherzentralen enthält Lachsschinken auf 100 Gramm 6,1 Gramm Salz, Schweine-Schinken (geräuchert) 5,3 Gramm, Deutsche Salami 5,4 Gramm, Teewurst, Rügenwälder Art 3,1 Gramm.

Wie aber sind nun die Salzgehalte der veganen Alternativen:

  • Alnatura Salamiart aus Seitan liegt bei 1,9 Gramm, also fast dreimal geringer als die fleischliche Salami.
  • Weaty liegt mit seiner Salamiart bei 2,0 Gramm Salz, Vegginess bei 2,1 Gramm.
  • Die höchsten Salzgehalte haben die Salamiart von Vegane Mühlen und Green Legend mit 3,0 Gramm und 3,2 Gramm - nach wie vor alles viel geringer als das fleischliche Original.

Tatsächlich sind 18 von 19 untersuchten Aufschnitte im Vergleich zu Wurstprodukten salzarm - nur ein Mozzarella-Ersatz fällt tatsächlich mit 3,6 Gramm Salz im Vergleich zum salzarmen Original (ca. 0,5 Gramm) ungünstig auf.

Ohne Vergleich irreführend

Menschen essen vegane Ersatzprodukte statt der fleischlichen bzw. tierischen Originale. Der Vergleich ist daher wichtig, aber dieser fehlt. Damit ergeben sich in der Berichterstattung jedoch letztlich falsche Schlüsse.

Zum Salz wäre dies eine passende Überschrift gewesen:

  • Vegane Aufschnitte deutlich salzärmer - weitere Salzreduktion wünschenswert

So hätte Ökotests seinen Wunsch nach allgemeiner Salzreduktion gut zum Ausdruck bringen und gleichzeitig die Sachlage vermitteln können, dass der Umstieg auf vegane Aufschnitte bereits im Durchschnitt zu einer erheblichen Salzreduktion führen würde.

Diese Sachlage ist jedoch aus der Medienberichterstattung völlig untergegangen und implizit sogar in ihr Gegenteil verkürzt worden, bei den Leser:innen finden dann weitere assoziative Fehldeutungen statt:

  • Menschen denken ganz automatisch vergleichend. Wenn jemand groß ist, bedeutet dies, dass er oder sie größer als der Durchschnitt ist.
  • Hören Fleischesser:innen von veganem Aufschnitt, legen sie sofort implizit Fleisch als Vergleich zugrunde, nämlich das, was sie typischerweise essen.
  • Lesen sie, dass veganer Aufschnitt zu viel Salz enthält, schlussfolgern sie implizit, dass dieser salziger sei als Fleisch.

Natürlich hat Öko-Test diesen Fehlschluss nicht selbst durchgeführt und ihn auch nicht explizit vermittelt, aber der Artikel hat ihn angeregt und begünstigt, indem ein zu viel an Salz der veganen Produkte, anstatt ihre Salzarmut im Vergleich zu den Fleischprodukten in den Vordergrund gestellt wurde.

So ist ein klares und eigentlich leicht verständliches Ergebnis der Untersuchung von Öko-Test  in der öffentlichen Reziption untergegangen:

  • Veganer Aufschnitt ist salzärmer als Aufschnitt aus Fleisch.

Umstrittene Zusatzstoffe

Das eigentlich Auffällige ist nicht die hohe, sondern die geringe Menge an umstrittenen Zusatzstoffen:

  • Sechs Produkte enthalten überhaupt keine umstrittenen Zusatzstoffe.
  • 13 Produkte enthalten Aromen, die Öko-Test aus einer rein ideologischen Überzeugung kritisch bewertet, es werden keinerlei Gesundheitsgefahren dargelegt. Warum Öko-Test Produkte abwertet, die natürliche Aromen enthalten, bleibt unverständlich.
  • 12 Produkte enthalten das aus Algen gewonnene Carrageen, welches großflächig bei verarbeiteten Lebensmitteln als Verdickungsmittel eingesetzt wird. Dieses als umstritten zu klassifizieren, ist trotz seiner breiten Verwendung in Lebensmitteln nachvollziehbar, da wissenschaftlich diskutiert wird, ob die in Tierversuchen mit Hochdosen oder in Zellkulturen beobachteten Entzündungseffekte bei einzelnen Menschen womöglich auch durch das zugesetzte Carrageen auftreten könnten - der Forschungsstand ist hier noch offen.

Es geht also tatsächlich um ein Verdickungsmittel, welches in recht vielen veganen Produkten enthalten ist und welches routinemäßig in einer großen Anzahl an Lebensmitteln, die Menschen täglich zu sich nehmen, ebenso enthalten ist - Zitat von der Seite des Bayerischen Rundfunks:

  • Carrageen, das oft auch als E 407 auf der Deklaration steht, ist ein pflanzliches Gelier- und Verdickungsmittel. Es wird in vielen Lebensmitteln verwendet - in Tortenguss, Puddingpulver, in Sahne, in frischer wie in H-Sahne, Frischkäse, Margarine, Eiscreme, Ketchup und Soßen wie zum Beispiel in fertigen Salatdressings oder auch in Süßigkeiten und Lightprodukten. Es ist für Lebensmittel ohne Mengenbeschränkung als Zusatzstoff zugelassen. Nach der EU-Ökoverordnung darf Carrageen auch für Bio-Produkte eingesetzt werden, also für Produkte, die das grüne EU-Biosiegel in Blattform tragen - etwa Joghurt, Sahne und Sojadrinks.

Natürlich darf Öko-Test darauf aufmerksam machen und sicherlich wäre es wünschenswert, wenn noch mehr vegane Produkte ohne Carrageen hergestellt werden würden.

Aber erneut fehlt der Vergleich, sodass der Einsatz eines pflanzlichen Zusatzstoffes, den Menschen nahezu täglich zu sich nehmen, implizit unnötig skandalisiert wird.

Menschen, die vegane Produkte essen, werden jedenfalls sicherlich nicht mehr Carrageen zu sich nehmen als Personen, die sich omnivor ernähren. Für diejenigen, die darauf achten möchten, gibt es carrageenfreie Alternativen.

Die Analyse von Öko-Test zeigt, dass die Vorstellung, vegane Produkte enthielten besonders viele umstrittene Zusatzstoffe, falsch ist. Vegane Produkte kennzeichnen sich stattdessen durch eine nur sehr geringe Anzahl von umstrittenen Zusatzstoffen oder sogar der Freiheit von allen umstrittenen Zusatzstoffen.

Auch dieser Befund ist in der öffentlichen Reziption leider untergegangen, bzw. in sein Gegenteil verkehrt worden.

Was ist aber mit den Mineralölrückständen?

Die Mineralölrückstände sind ärgerlich, aber auch hier fehlt der Kontext:

  • Diese Rückstände finden sich reihenweise in zahlreichen Lebensmitteln, von Fleischprodukten bis hin zu Olivenölen. Sie gelangen aus der Verpackung in die Produkte. Den Leser:innen wird zu wenig klar, dass sie keine Angst vor veganen Produkten haben müssen, wenn sie ansonsten auch gerne mal Pizza oder Pasta mit Pesto essen.

Mineralöle sind wirklich nahezu überall,  u.a. in Pflanzlichen Ölen (wie Rapsöl, Sonnenblumenöl, Leinöl, Olivenöl), Brot und Kleingebäck, Getreideerzeugnissen und getreidebasierten Produkte, Cerealien, Teigwaren, Reis, Süßwaren (Zuckerwaren außer Kaugummi), Schokolade und kakaobasierte Süßwaren, aber eben auch in Bratwürsten, wie Öko-Test jedenfalls 2016 zeigte.

Entsprechend fand bei beispielsweise Foodwatch in nahezu allen untersuchten Produkten Mineralölrückstände, von der Knorr-Suppe über die Lindt Milchschokolade bis zum Nutella-Brotaufstrich.

Der Ökolebensmittel herstellende Anbieter Rapunzel erklärt dazu auf seiner Webseite u.a. Folgendes:

  • 100%ige Mineralölfreiheit ist in einer Gesellschaft mit dieser Vielfalt an mineralölbasierten Produkten derzeit utopisch. Erst seit einiger Zeit sind verschiedene Stoffe aus Mineralöl wie MOSH und MOAH analytisch nachweisbar. Daher ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass wir sie schon lange Zeit aufnehmen. So komplex die unterschiedlichen Mineralöle und auch deren Nachweisverfahren sind, so komplex und vielfältig sind auch die Eintragswege in unserer durch und durch mineralölbasierten Gesellschaft. ...
  • Das beginnt bereits in der Landwirtschaft: Wenn beispielsweise der Gehölzverschnitt mit Motorsägen stattfindet, deren Kettenschmierung via der üblichen „Verbrauchsschmierung" durch Mineralöl stattfand. Ebenso kommen bewegte mechanische Teile von Landmaschinen in Frage, die der Schmierung bedürfen und welche beispielsweise bei der Ernte zu Übergängen führen können. Weitere mögliche Eintragswege sind unvollständig verbrannte fossile Kraftstoffe auf landwirtschaftlicher Ebene. Dies führt zu einer allgegenwärtig vorhandenen Grundbelastung an diesen Stoffen in der Nahrungskette.In unserer mineralölbasierten Gesellschaft sind sie überall vorhanden. Mineralölbestandteile können durch Verpackungen (Recyclingkartons, Druckfarben, Säcke für Rohstoffe) in Lebensmittel gelangen. Entlang der Prozesskette sind jedoch viele Einträge möglich, zum Beispiel durch Schmierfette von Erntemaschinen oder in der Produktion. Ferner ist eine umweltbedingte Grundbelastung mit Mineralölkohlenwasserstoffen, z. B. durch Abgas von Benzinmotoren, Emissionen aus Energieversorgungs-​ und Industrieanlagen sowie Feinstaub asphaltierter Straßen möglich.

Deutlich wird:

  • Dem Veganismus ist das Problem sicher nicht anzulasten.

Es ist zu hoffen, dass die Hersteller hier Lösungen finden. Erneut liegt aber kein vegan-spezifsches Problem vor, was leider den Leser:innen insbesondere dann nicht auffällt, wenn nur vegane Produkte untersucht werden und das Ganze schließlich so zusammengefasst wird, dass 12 von 19 Produkten durchfallen.

Falscher Schluss

Was bei vielen Leser:innen hängenbleibt ist, dass vegane Produkte ungesund oder gar gefährlich seien, eben zu salzig, voll mit Zusatzstoffen und Mineralölen.

Die Wirklichkeit ist eine andere:

  • Vegane Produkte sind deutlich salzärmer als ihre fleischhaltigen Vergleichsprodukte. Sie enthalten - abgesehen von dem überall verwandten pflanzlichen Carrageen und unbedenklichen Aromen - keine umstrittenen Zusatzstoffe, und sie teilen mit vielen anderen Lebensmitteln das allgemeine Problem der Mineralölrückstände.

Unvollständige Kriterien

Auffällig ist aber auch, dass die Bewertungskriterien an Vollständigkeit zu wünschen übrig lassen:

  • die Fettkomposition der veganen Produkte wurde durch Öko-Test nicht untersucht, obwohl diese sicherlich bei weitem günstiger ist als bei fleischbasierten Produkten. Der Anteil nicht gesättigter Fetter ist bei veganen Produkten höher und vegane Produkte sind cholesterinfrei.
  • rotes Fleisch und verarbeitetes Fleisch werden von der WHO als krebserzeugend eingestuft, pflanzliche Fleischalternativen demgegenüber nicht, auch dies Kriterium wäre wünschenswert gewesen.
  • bei angeblichem Tierwohl werden Fleischprodukte aufgewertet, wieso unterbleibt diese Aufwertung für vegane Produkte? Gerade hier müsste es doch eine maximale Aufwertung geben.

Völlig fehlt - und für Öko-Test unverständlich - eine ökologische Betrachtungsweise:

  • Mit unserem Konsum übernehmen wir Verantwortung nicht nur für uns selbst, sondern ebenso für unsere Umwelt. Zahlreiche Studien haben die bei weitem bessere Umweltverträglichkeit veganer Produkte im Vergleich zu Tierprodukten schlüssig nachgewiesen. Öko-Test lässt diesen für unser aller Überleben zentralen Faktor aus. Die Kriterien sind damit nicht zeitgemäß.

Verarbeitete Produkte

Öko-Test hat verarbeitete Lebensmittel untersucht. Es ist bekannt, dass der Verarbeitungsgrad von Lebensmittel oft mit deren Gesundheitscharakter negativ korreliert ist.

Dies ist auch bei veganen Lebensmitteln der Fall, auch wenn diese glücklicherweise deutlich weniger schädlich sind als verarbeitete Fleischprodukte oder auch unverarbeitetes rotes Fleisch, die Umwelt bei weitem weniger schädigen und anders als verarbeitete Tierprodukte nicht auf Tierleid beruhen.

Dennoch sollten Aufschnitte immer nur ein kleiner Teil, eine Ergänzung der Ernährung sein und diese keineswegs maßgeblich prägen oder gar dominieren:

  • Frisches Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüssen und Sämereien kennzeichnen eine gesunde vegane Ernährung.
  • Eine moderate Menge veganen Aufschnitts fügt einer solchen Ernährung keinen Schaden zu, wobei Veganer:innen nach einer unserer Umfragen  typischerweise ohnehin vegane Ersatzprodukte nur in moderaten Mengen verzehren.

Veganer Aufschnitt ist keine Gesundheitskost, kann aber die gesundheitlichen, ökologischen und ethischen Probleme von fleischbasiertem Aufschnitt reduzieren:

  • Je mehr veganer Aufschnitt Menschen hilft, auf Fleisch zu verzichten, desto förderlicher ist er damit vergleichend auch für Gesundheit, Ökologie und Tierwohl.
  • Wird dieser Vergleich bei einer Bewertung weggelassen, verlieren die Ergebnisse einen Großteil ihrer Bedeutung.

Resümee

Die Berichterstattung von Öko-Test ist in der Gesamtbilanz wenig hilfreich. Sie droht sogar, der Umwelt und Gesundheit zu schaden, indem viele Leser:innen fälschlicherweise mitnehmen, dass vegan ungesund sei und sie daher wohl doch bei ihren Fleischprodukten bleiben könnten, die nicht nur salziger und teilweise krebserzeugend sind, sondern mit enormen Tierleid und ebenso enormer Umweltzerstörung verbunden sind.

Tests sollten immer im Vergleich zu den Fleischprodukten durchgeführt werden und sie sollten Tierwohl und ökologische Verträglichkeit, WHO-Einstufungen zum krebserregenden Charakter, sowie eine Bewertung der Fettzusammensetzung beinhalten.

Zu hoffen ist, dass die Hersteller veganer Produkte sich vor allem dem Problem der Mineralölrückstände noch einmal intensiver zuwenden.

Es wäre für das Image veganer Produkte ausgesprochen hilfreich, wenn es gelänge, Mineralölrückstände künftig zu vermeiden, und womöglich - die Befundlage ist hier nicht eindeutig - wäre es auch gut für die Gesundheit der Konsument:innen.

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