Aufwind für eine Zukunft ohne Schlachtung

Aufwind für eine Zukunft ohne Schlachtung

Soeben hat die US-amerikanische Firma "Good Meat" den Bau der weltweit größten Bioreaktoren zur Herstellung von kultiviertem Fleisch angekündigt. Die Unternehmsberatung Kearney prognostizierte bereits 2019, dass 2040 60 % des Fleisches nicht mehr aus der Tierschlachtung kommen werde.

"Good Meat" ist die einzige Firma weltweit, die kultiviertes Fleisch nicht nur erforscht und entwickelt, sondern ihr Hühnerfleisch bereits in Singapur an Verbraucher:innen kommerziell verkauft.

Ihren Vorsprung auf dem kommenden Markt des kultivierten Fleisches will die Firma nunmehr weiter ausbauen, wie der Guardian berichtet:

  • Die Firma kündigte die Errichtung der vier weltweit größten Bioreaktoren zur Herstellung von kultiviertem Fleisch an. Jeder der vier Reaktoren soll jeweils vier Stockwerke umfassen und pro Reaktor 13000 Tonnen Hühnerfleisch und Rindfleisch produzieren.

"Ich denke, unsere Enkelkinder werden uns fragen, warum wir im Jahr 2022 Fleisch von geschlachteten Tieren gegessen haben", wird Josh Tetrick vom Guardian zitiert, der Geschäftsführer der von Eat Just, die die Muttergesellschaft von Good Meat ist.

Kultiviertes Fleisch ist für das Ziel der Abschaffung von Tierschlachtung und Tierausbeutung von großer Bedeutsamkeit:

  • Es handelt sich um echtes Fleisch, welches von daher keinerlei Konsistenz- oder Geschmacksunterschied zu Fleisch von getöteten Tieren aufweist.
  • So bitter es auch ist, aber für den Menschen als Gewohnheitswesen zählen Geschmack und Konsistenz oft mehr als Ethik und Moral.
  • Der großen Mehrheit der Fleischesser ist bewusst, dass ihr Fleischkonsum zulasten von Tieren, Klima, Naturlandschaften und Biodiversität geht und sie setzen den Konsum dennoch fort.
  • Fleisch ohne Tierausbeutung könnte die Lösung für dieses Problem sein.

Faken sind bekannt ...

Wissenschaftlich sind die negativen Auswirkungen der Nutztierhaltung längst belegt:

  • So gelangte vor Kurzem eine umfassende Überblickarbeit zu dem Schluss, dass die westlichen Industrieländer ihren Fleischkonsum um 75 % reduzieren müssen, wenn es uns gelingen soll, Umweltzerstörung und Klimawandel aufzuhalten. Eine umfassende Studie zum Klimawandel hat ebenfalls neulich gezeigt, dass der Ernährungssektor mit 38 % zum Klimawandel beiträgt – und damit stärker als alle anderen Bereiche. Obwohl Tierprodukte aber nur 18 % der weltweiten Kalorien decken, sind sie für 58 % der Klimabelastung durch die Ernährung verantwortlich.
  • Noch nicht berücksichtigt ist hier das mögliche das Co2-Einsparpotential, welches bei einer Umstellung auf vegane Ernährung nutzbar gemacht werden könnte, indem Kulturlandschaften wieder zu Naturlandschaften würden. Denn ca. 70 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen dienen der Nutztierhaltung und bei rein veganer Ernährung könnte ein Teil dieser Flächen wieder der Natur zurückgegeben werden, sodass klimaprotektive Wälder und andere Naturlandschaften entstehen würden.

All dies ist wohl der Mehrheit der Fleischesser:innen bewusst:

Sie wissen auch, dass Tiere leiden und vielen tut dies durchaus irgendwie leid.

  • Jedoch sind die konditionierten Konsum-Gewohnheiten so stark, dass Fleischesser:innen sich ihren Konsum lieber schönreden oder das Tier von ihrem Teller ausblenden, als ob das Stück Fleisch tatsächlich nur ein Stück Fleisch wäre und nicht von einem leidensfähigen Tier stammte.
  • So gelangten Studien zu dem Ergebnis: "Wenn es Fleischessern gelingt, das Fleisch, welches sie essen, vom Tier, welches getötet wurde, zu dissoziieren (trennen), bleibt ihnen die Konfrontation mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen erspart. Je besser ihnen dies gelingt, desto unbefangener können sie ihren Fleischkonsum fortsetzen.“

Zwei weitere Mechanismen, mit denen sich Fleischesser:innen ihren Konsum schönreden, sind die Selbstberuhigungen, dass die Tiere betäubt würden, oder dass es schließlich Bio-Fleisch gebe.

Wandel durch wenig Gewohnheits-Änderung

Gelingt es, Tierschlachtung obsolet zu machen, ohne von Fleischesser:innen Umstellungen in ihrem Konsum zu verlangen, sind die Aussichten hoch, dass die Rechtfertigungen für Fleisch aus Tierschlachtung zusammenbrechen und die Konsument:innen zum schlachtungsfreien Produkt wechseln würden.

Warum sollte jemand Produkte aus der Tötung kaufen, wenn es das gleiche Produkt auch ohne Tötung gibt?

Der klassische Tierschutz hat versagt. Er konnte das Leid der Tiere nicht einmal mindern, da jede mögliche Leidminderung durch die Zunahme des Fleisch- und Milchkonsums mehr als kompensiert worden ist. Kultiviertes Fleisch hat aber das Potenzial, erfolgreicher zu sein.

Sicherlich wird es r Ausnahmen bei einzelnen Menschen geben:

  • Es gibt Tendenzen, den Tötungsprozess von Tieren quasi mystisch zu verklären, ein bizarres Beispiel ist hierfür ein Artikel der Anthropologinnen Deborah Heath und Anne Meneley, die die Herstellung von Stopfleber als besondere und schützenswerte Beziehungen zwischen Tier und Mensch bezeichnen.
  • Es gibt zudem Menschen, die durch Gewalt angezogen werden und womöglich selbst dann Fleisch aus Schlachtung wählen werden, wenn schlachtungsfreies Fleisch zur Verfügung steht.

Die Mehrheit der Fleischesser:innen sind aber keine dezidierten Sadisten und die Mehrheit wird die Schlachtung nicht vermissen.

Die Bereitstellung von kultiviertem Fleisch hat daher das Potenzial, zu einem massiven Rückgang des Konsums von Fleisch aus der Tötung zu führen, sodass letzteres womöglich nicht mehr wirtschaftlich sein wird und die Tierausbeutungsindustrie zusammenbrechen könnte.

Hat sich erst kultiviertes Fleisch durchgesetzt, wachsen zudem die Chancen, dass die Durchsetzung eines allgemeinen Schlachtverbotes gelingen könnte.

Tom Milner ist jedenfalls optimistisch. Er beschäftigte sich damit, wie sich der Anstieg der veganen Bevölkerung auf die Fleisch-Industrie auswirken wird. Auf der Basis einer Umfrage gelangte er zu dem optimistischen Ergebnis, dass die Fleisch-Industrie in Großbritannien bereits im Jahr 2030 beginnen könnte, zusammenzubrechen. Er argumentiert, dass sich der Anteil der Veganer:innen alle zwei Jahre verdoppele. Setze sich dieser Trend fort, würde bis 2030 in Großbritannien ein Veganer-Anteil von 15 % erreicht werden. Gleichzeitig wachse aber auch der Anteil der Vegetarier:innen, Flexitarier:innen und Fleisch-Reduzent:innen. So könnte ein Wendepunkt erreicht werden, an dem sich die Nutztierhaltung finanziell nicht mehr rentieren würde. Da es den Produzent:innen allein um ihre Gewinne geht, würden sie sich schließlich umorientieren und Produkte aus Tierausbeutung durch andere Produkte ersetzen. https://www.vegan.eu/bricht-die-fleisch-industrie-schneller-zusammen-als-erwartet/

Hiermit übereinstimmend, sagt die Unternehmensberatung Kearney auf der Basis der Auswertung von Experteninterviews voraus, dass im Jahr 2040 ca. 60 % des Fleisches gezüchtet oder durch pflanzliche Alternativen ersetzt sein wird.

In durchaus dunklen Zeiten, die in Anbetracht von Krieg, Umweltzerstörung, Klimawandel und eines weltweit nach wie vor wachsenden Fleischkonsums durchaus Zweifel an der Überlebensfähigkeit der Menschheit bedingen, ergibt sich aus dem beschleunigten Wachstum von Fleischersatz, Milchersatz und Eierersatz sowie der Tätigkeit der nach dem Bericht des Guardian ca. 170 Firmen, die sich mit der Entwicklung von kultiviertem Fleisch beschäftigen, dennoch die Hoffnung, dass ein Wandel noch möglich sein wird, womöglich ein Umschalten in letzter Minute bevor es zu spät ist.

Veganer:innen als Pioniere einer neuen Zeit

Kultiviertes Fleisch ist nicht vegan, sondern originales Fleisch. Es wird für viele Veganer:innen gesundheitliche und ästhetische Gründe geben, an ihrer veganen Lebensweise festzuhalten, selbst wenn kultiviertes Fleisch sich einstmals durchgesetzt haben wird. Andere heutige Veganer:innen werden zu diesem Zeitpunkt vermutlich zu einer fleischbasierten Lebensweise zurückkehren, jedenfalls dann, wenn sie ausschließlich aus ethischen und nicht auch aus gesundheitlichen Gründen einstmals vegan wurden.

Aus der Sichtweise eines rein ethisch begründeten Veganismus können alle Einzelnen sich entscheiden, wie sie es handhaben möchten, da gegen den Konsum von rein kultiviertem Fleisch keine ethischen Bedenken mehr zu erheben sind. Womöglich wird ein großer Teil der veganen Bewegung mit dem kultiviertem Fleisch jedenfalls namens-bezogen zu einem Ende gelangen – tatsächlich werden sich die Beteiligten in anderen Bereichen weiterhin für Gerechtigkeit und auf Mitgefühl beruhendes Handeln einsetzen und damit die Grundpfeiler des Veganismus auch in einer in diesem Sinne nach-veganen Zeit weiterhin zum Tragen bringen.

So mag der Veganismus also im Sinne des Einsatzes für eine pflanzenbasierte Ernährung aus Gründen von Ethik, Mitgefühl und Gerechtigkeit paradoxerweise durch kultiviertes Fleisch obsolet werden; einen Tag, den Veganer:innen nicht fürchten brauchen, sondern den sie herbeisehnen, um nicht weiterhin täglich Zeug:innen der rücksichtslosen Zerstörung unserer Umwelt und der brutalen und sinnlosen Vernichtung tierischen Lebens zu werden.

Veganer:innen werden in einer Gesellschaft, die nur noch kultiviertes Fleisch und Pflanzenprodukte isst, rückwirkend wohl als frühe Pioniere angesehen werden, die bereits für eine Welt ohne Tierausbeutung eintraten, als dafür noch eine Veränderung der eigenen Konsum-Gewohnheiten erforderlich war.

Dass der Menschheit diese Umstellung nicht auch ohne raffinierte Imitate und kultiviertes Fleisch gelang, wird ihr sicherlich nicht zum Positiven angerechnet werden können.

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