Umfrage: Vegane Familien brauchen Schutz

Umfrage: Vegane Familien brauchen Schutz

Umfrage: Vegane Familien sind Vorbehalten ausgesetzt

In der öffentlichen Diskussion wird die vegane Ernährung von Kindern teilweise als eine Art Kindesmissbrauch dargestellt. Aber werden vegane Eltern mit diesem Vorwurf in ihrem Alltag tatsächlich konfrontiert und wie hängt dies mit der Ernährung ihrer Kinder zusammen? Dieser Frage sind wir in einer Umfrage nachgegangen.

In der Online-Umfrage haben wir vegane Eltern gefragt, wie sich ihre Kinder ernähren und wie ihr soziales Umfeld darauf reagiert. Spezifisch wurde gefragt, ob gegenüber ihnen bereits der Vorwurf des Kindesmissbrauchs aufgrund der Ernährung erhoben worden sei. Die Befragung stützte sich jeweils auf die Angabe eines Elternteiles. An der Umfrage beteiligten sich 384 Elternteile, unter ihnen waren 293 Mütter, 88 Väter und 3 Elternteile, die angaben, intersexuell zu sein. Alle befragten Eltern gaben an, minderjährige Kinder zu haben.

 

Zusammenfassung der Ergebnisse

  • Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass sich nur bei einem Teil der befragten veganen Eltern auch die Kinder vegan ernährten. Alle Kinder lebten lediglich bei 19 % der befragten veganen Eltern ebenfalls vegan. Demgegenüber aßen bei 36,2 % der Befragten alle Kinder Fleisch. In vielen weiteren Fällen aßen verschiedene Kinder uneinheitlich
  • Jedes vierte Elternteil, bei dem sich alle Kinder vegan ernährten, sah sich bereits mit dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs konfrontiert. Auch wenn sich nur ein Teil der Kinder vegan ernährte, traf jedes fünfte Elternteil der Vorwurf. Der Vorwurf wurde außerdem auch gegen jedes achte Elternteil, bei dem sich mindestens ein Kind vegetarisch ernährte. Wenn sich alle Kinder vegetarisch ernährten, stieg die Häufigkeit des Vorwurfes leicht an. Demgegenüber wurde der Vorwurf lediglich gegenüber jedem 50sten Elternteil erhoben, bei dem alle Kinder Fleisch aßen.
  • Vegane Eltern müssen also damit rechen, dass ihnen Kindesmissbrauch vorgeworfen wird, wenn sich auch ihre Kinder vegan ernähren. Aber auch bei vegetarischer Ernährung ihrer Kinder sind vegan Eltern einem erhöhten Risiko ausgesetzt, wegen Kindermissbrauch gebrandmarkt zu werden.
  • Die Ergebnisse machen deutlich, dass vegane Familien mit vegan und vegetarisch lebenden Kinder schutzbedürftig sind. Gesellschaft und Medien kommen diesem erhöhtem Schutzbedürfnis aber bisher nicht nach, sondern tragen durch eine einseitige Berichterstattung und Vorbehalte gegenüber veganen Familien zu dieser Ausgrenzung bei.

 

Ergebnisse der Umfrage im Einzelnen

Wie ernährten sich Kinder veganer Eltern?

Die Kinder von vegan lebenden Eltern ernähren sich selbst unterschiedlich. Oft essen auch nicht alle Kinder von veganen Eltern gleich, sondern es gibt vegane, vegetarische und fleischessende Kinder in der gleichen Familie. Vegane Eltern gaben in unserer Umfrage über die Ernährung ihrer Kinder jedenfalls Folgendes zur Verbreitung der verschiedener Ernährung unter ihren Kindern an:

 

Anzahl

%

alle Kinder vegan

73

19

alle Kinder vegetarisch

65

16,9

alle Kinder omnivor

139

36,2

einige vegan, einige vegetarisch

25

6,5

vegan, vegetarisch, Fleisch

25

6,5

einige vegan, einige Fleisch

24

6,3

einige vegetarisch, einige Fleisch

33

8,6

 

Was zeigen diese Zahlen?

  • bei jedem fünften vegane Elternteil ernährten sich alle Kinder vegan. Bei etwas mehr als einem Drittel der befragten Elternteile aßen die Kinder demgegenüber Fleisch. Ebenso gab es, wie in der Tabelle erkennbar, viele vegane Eltern, die angaben, dass sich ihre verschiedenen Kinder unterschiedlich ernährten.
  • bei der Mehrheit der veganen Eltern, ernährten sich nicht alle Kinder vegan. Bei 147 Eltern (38,3 %) ernährte sich aber mindestens ein Kind vegan. Bei 98 Eltern (25,5 %) ernährte sich mindestens ein Kind vegetarisch, aber kein Kind vegan.
  • sichtbar ist aus den Daten, dass sich bei den befragten veganen Eltern sehr viel häufiger auch die Kinder vegan ernährten als dies in der Allgemeinbevölkerung mit einem Veganer-Anteil von ca. 1 % der Fall ist. Auch eine vegetarische Ernährung der Kinder wurde häufig genannt. Während typischerweise in der Gesellschaft Kinder Fleisch essen, isst bei veganen Eltern die Mehrheit der Kinder kein Fleisch und der Veganer-Anteil ist ebenfalls stark erhöht. Wie auch andere Eltern, neigen demnach auch vegane Eltern dazu, ihren Kindern die eigenen Ernährungsgrundlagen zu vermitteln.

 

Vorwürfe gegen vegane Eltern

Wir haben gefragt, ob Eltern durch ihr soziales Umfeld wegen der Ernährung ihrer Kinder Kindesmissbrauch vorgeworfen wurde. Dieser Vorwurf wurde in Abhängigkeit von der Ernährung der Kinder folgendermaßen oft erhoben:

 

Anzahl

%

mindestens ein Kind vegan (147)

30

20,4

nicht vegan, mindestens ein Kind vegetarisch (90)

12

12,2

alle Kinder essen Fleisch (139)

3

2,2

 

Zu den in der Tabelle dargestellten Ergebnissen ist zu ergänzen:

  • statistisch sind die hier zutage tretenden Unterschiede signifikant (bei einem zugrundelegten Signifikanzniveau von 95 %), lassen sich also nicht als Zufallsschwankungen erklären. Die statistischen Analysen zeigen, dass der Vorwurf des Kindesmissbrauchs am seltensten gegenüber Eltern erhoben wurde, deren Kinder Fleisch aßen, häufiger gegenüber Eltern erhoben wurde, bei denen mindestens ein Kind sich vegetarisch ernährte, und noch einmal deutlich häufigsten gegenüber Eltern erhoben wurde, bei denen mindestens ein Kind sich vegan ernährte.
  • nach diesen Daten sah sich also jedes fünfte vegane Elternteil, bei denen mindestens ein Kind vegan aß, dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs ausgesetzt. Wenn nur diejenigen Eltern betrachtet wurden, bei denen sich alle Kinder vegan ernährten, stieg der Anteil der Betroffenen sogar auf 24,7 % und damit jedes vierte Elternteil an. Bei vegetarischer Ernährung der Kinder stieg der Prozentsatz der Betroffenen von 12,2 % (nicht alle Kinder vegetarisch, kein Kind vegan) leicht auf 13,8 %, wenn ausschließlich Eltern betrachtet wurden, bei denen alle ihre Kinder sich vegetarisch ernährten.
  • nur wenn vegane Eltern ihre Kinder mit Fleisch ernähren, scheinen sie nach den vorliegenden Daten den Vorwurf des Kindesmissbrauchs nahezu immer vermeiden zu können. Er traf jedenfalls hier nur jedes fünfzigste Elternteil.
  • deutlich wird, dass Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, in der Gesellschaft in wesentlich höherem Ausmaß auf auch schwere Vorbehalte stoßen als Eltern, die auf Fleisch für die Ernährung ihrer Kinder zurückgreifen. Selbst Eltern, die ihre Kinder vegetarisch ernähren, müssen häufiger mit Vorwürfen rechnen als Eltern, deren Kinder Fleisch essen.

 

Schlussfolgerungen

Der Vorwurf, die eigenen Kinder zu missbrauchen, ist sicherlich einer der schwersten Vorwürde, der gegen Eltern erhoben werden kann. Niemand möchte unbegründet dem Vorwurf ausgesetzt werden, seine Kinder zu missbrauchen. Ein solcher unbegründeter Vorwurf kann bei den Betroffenen zu erheblichem psychischen Leid führen und mittelbar zu einer Belastung der gesamten Familie, einschließlich der Kinder, werden.

In der Umfrage berichtete jedes vierte vegane Elternteil, dessen Kinder ebenfalls vegan lebten, dass dieser Vorwurf bereits erhoben worden sei.

Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass vegane Kinder im Leben schlechter dastehen würden als nicht-vegane Kinder. Nach allen zur Verfügung stehenden Informationen wachsen vegane Kinder vielmehr in der überwältigenden Mehrheit der Fälle in Elternhäusern auf, die sie lieben, sie angemessen ernähren und ihre Entwicklung fördern. Für die Sachlage, dass jedes vierte vegane Elternteil sich mit dem Vorwurf des Kindesmissbrauches auseinandersetzen muss, gibt es keine Rechtfertigung in den Fakten.

 

Was sind die Hintergründe des Vorwurfes?

Ernährungswissenschaftliche Stellungnahmen

Ernährungsverhalten wird Kindern vor allem von ihren Eltern vermittelt. Dies ist in der Regel auch gesellschaftlich allgemein akzeptiert und schließt besondere Ernährungsformen (kulturtypische Ernährungsformen, religiöse Ernährungsgebote, vegetarische Ernährung) ein.

Die mediale und politische Diskussion über die vegane Kinderernährung und der Vorwurf des Kindesmissbrauchs zeigen aber, dass bezüglich der veganen Ernährung offenbar oft andere Maßstäbe angelegt werden.

Der weltweit größte ernährungswissenschaftlichen Verband, die Academy of Nutrition and Dietetics, hat in einer erst kürzlich aktualisierten Stellungnahme auf der Grundlage der Sichtung des internationalen Forschungsstandes noch einmal betont, dass eine gesunde vegane Ernährung auch für Schwangere, Stillende, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche möglich sei. Die vegane Ernährung sei für alle Altersstufen und alle Entwicklungsstufen geeignet. Gleichzeitig weist diese Stellungnahme auf zahlreiche mögliche gesundheitliche Vorteile für Kinder hin, die sich vegan ernähren, wobei sie u. A. die Reduktion von krankhaftem Übergewicht und Diabetes benennt.

Dieser Stellungnahme haben sich auch weitere ernährungswissenschaftliche Organisationen, wie die Fachgesellschaften aus Kanada und Portugal angeschlossen. So betonen die Dieticians of Canada: "healthy vegan diet can meet all your nutrient needs at any stage of life including when you are pregnant, breastfeeding or for older adults.“ In aller Klarheit steht in den Empfehlungen des portugiesischen National Programm for Healthys Eating: „When appropriately planned, vegetarian diets, including lacto-ovo vegetarian or vegan, are healthy and nutritionally adequate for all cycles of life, and they can be useful in prevention and treatment of some chronic diseases.“  Auch in Großbritannien betont der staatliche National Health Service, dass eine gesunde vegane Ernährung auch in Schwangerschaft und für Kinder möglich sei und gibt Eltern entsprechende Ratschläge.

Selbst die für ihre konservative Grundhaltung bekannte Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat in einer Stellungnahme vom April 2017 erstmals die Möglichkeit einer gesunden veganen Kinderernährung explizit eingeräumt. Seither hat die DGE zusätzlich konkrete Hinweise auf ihrer Webseite veröffentlicht, die es veganen Eltern erleichtern sollen, ihre Kinder vegan zu ernähren. Die DGE hat sich damit von ihrer aus 2011 stammenden veganfeindlichen Position, die jedwede vegane Ernährung von Kindern strikt ablehnte, erheblich entfernt, auch wenn sie nach wie vor noch nicht den vollen Anschluss an die internationale Entwicklung erreicht hat.

 

Medien-Berichterstattung

In der Medienberichterstattung über die Stellungnahme der DGE überwiegen aber kritische Töne und Warnungen vor möglichen kritischen Nährstoffen. So titelte die Welt mit: "So gefährlich ist vegane Ernährung für Kinder“. Die Süddeutsche Zeitung meinte: „Ernährungsforscher: Vegane Kost reicht nicht“.

Das Bundeszentrum für Ernährung publizierte den Titel: "Vegane Ernährung für Kleinkinder ungeeignet“ Der Focus verbreitete: "Ärzte sind sich einig - Vegane Ernährung ist für Kinder ungeeignet“. Wenig zur Versachlichung der Diskussion trug zudem ein Interview mit dem DGE-Präsidenten Heseker bei, in dem dieser ernsthaft veganen Eltern vorwarf, ihre Kinder zu malträtieren.

Diese negative Berichterstattung hängt auch mit der verkürzten Zusammenfassung durch die DGE zusammen, die in ihrer eigenen Zusammenfassung zahlreiche zuvor noch ausführliche referierte Fakten, die für eine vegane Ernährung sprechen, auslässt. So entsteht die verwunderliche Situation, dass die Zusammenfassung wenig mit dem eigentlichen Haupttext zu tun hat und ihm im Gegenteil sogar teilweise zuwider läuft.

Vor allem wird durch die DGE und die mediale Rezeption nicht berücksichtigt, dass es nicht nur für die vegane Ernährung, sondern ebenfalls für Mischkost mit Fleisch potenziell kritische Nährstoffe gibt. So ist bei Fleischessern häufiger  ein Folsäuremangel zu verzeichnen. Die DGE reagiert hierauf, indem sie allen Schwangeren eine Supplementierung mit Folsäure empfiehlt, da eine Deckung durch die empfohlene Mischkost mit Fleisch offenbar de facto schwer oder nicht ausreichend sicher erreichbar ist.

Genau das Gleiche ist ohne Probleme für potenziell kritische Nährstoffe der veganen Ernährung möglich, deren ausreichende Zuführung durch einfache und bekannte Maßnahmen (vollwertige Nahrungszusammenstellung, Supplementieren von Vitamin B12) sichergestellt werden kann.

In der Medienberichterstattung werden die positiven Stellungnahmen der weltweit führenden ernährungswissenschaftlichen Verbände aber nahezu komplett ignoriert. Entsprechend wird ebenfalls nicht eingegangen auf mögliche gesundheitliche Vorteile einer veganen Ernährung für Kinder, obwohl diese in diesen Stellungnahmen ausführlich und begründet benannt werden.

Stattdessen werden immer wieder spektakuläre Einzelfälle von Gesundheitsschäden bei Kindern thematisiert, bei denen teilweise nicht einmal eine vegane Ernährung vorlag, aber durch die erwachsenen Bezugspersonen eine extreme Mangelernährung aufgrund von Fehleinschätzungen oder sogar wahnhaften Verzerrungen umgesetzt wurde.

 

Solche extremen Einzelfälle werden in der Berichterstattung häufig bereits durch fehlerhafte Überschriften nach dem Motto "krank durch vegane Ernährung“ mit der veganen Ernährung an sich assoziiert. So titelte der Spiegel mit: "Vegane Mutter setzte Baby auf Nuss-Obst-Diät“. Dabei wird die ausschließliche Ernährung eines Babys mit Beeren und Nüssen durch den Spiegel mit einer veganen Ernährung verwechselt.

 

Wer Kleinkinder ausschließlich mit Reismilch oder Buchweizenmilch ernährt, gefährdet ihre Gesundheit, was rein gar nichts mit veganer Ernährung zu tun hat. Dennoch titelte die FAZ zu einem anderen Fall inhaltlich völlig falsch: "Wegen veganer Ernährung Eltern nach Tod von Baby schuldig gesprochen". Die Eltern waren in Wirklichkeit nicht einmal Veganer. Sie hatten die offenbar bereits wahnhafte Vorstellung, dass ihr Kind nur noch verschiedene Pflanzenmilchsorten vertrage, auf welche sie dann die komplette Ernährung des Kindes beschränkten. Einen Arzt suchten sie trotz massiver Gewichtsabnahme nicht auf. Ein solches Verhalten der veganen Ernährung an sich und damit allen veganen Eltern anzulasten, ist eine grobe Diffamierung.

 

Reismilch, Sojamilch oder andere Pflanzenmilchsorten eignen sich im Übrigen auf keinen Fall für Säuglinge, sondern Säuglinge müssen mit Muttermilch oder - wenn dies nicht möglich ist - mit  veganer Spezialnahrung für Säuglinge auf Sojabasis ernährt werden. Umso irreführender ist es, wenn die Kronenzeitung aus Österreich zum tragischen Tod eines Babys, dessen Eltern ihm nur Apfelsaft und Sojamilch gaben, titelte: "Baby wegen veganer Ernährung gestorben". Hätten Eltern ihrem Kind nur Kuhmilch und Schweineschmalz gegeben, wäre wohl kaum ein vergleichbarer Titel erschienen, wie "Baby wegen omnivorer Ernährung gestorben".

 

Ebenso komplett falsch titelte der Berliner Kurier zum Fall eines Babys in Italien, welches aufgrund einer Mangelernährung Mangelerscheinungen aufwies, mit " Weil die Eltern es vegan ernährten Kind (1) stirbt fast an Mangel-Erscheinungen".

Ganz aktuell werden von einigen Medien äußerst negative Artikel über vegane Ernährung während der Stillzeit publiziert. So liest sich beim Stern "Sie konnten nicht mehr sitzen" – so gefährlich ist vegane Ernährung beim Stillen". In dem Artikel wird nicht ausreichend auf die Sachlage eingegangen, dass die vegane Ernährung für schwangere und stillende Mütter obligatorisch eine Supplementierung mit Vitamin B12 verlangt. Wenn Eltern hierauf nicht achten, können in der Tat Mangelerscheinungen entstehen, die sich durch eine einfache Supplementierung komplett vermeiden lassen. Das Problem - die Beispiele beziehen sich alle auf Vitamin B12 - ist also nicht ein Problem veganer stillender Mütter im Allgemeinen, sondern von Müttern, die die vegane Ernährung falsch umsetzen. Über diese Thematik ist eine Berichterstattung sicher notwendig und wünschenswert, damit vegane Stillende künftig ausnahmslos auf die Versorgung mit Vitamin B12 achten. Der Artikel pauschalisiert jedoch und vermittelt in seiner Überschrift den Eindruck, als ob eine vegane Ernährung für die Kinder Stillender generell gefährlich sei, was nicht der Fall ist. Wer sich einen derartigen Artikel im Web betrachtet, mag schnell dazu übergehen, gegen vegane Stillende Vorwürfe zu erheben, sie würden ihre Kinder gefährden.

Da vielfach nur Überschriften gelesen werden und vielen Menschen außerdem die Zusammenhänge nicht bewusst sind, bleibt bei den Menschen hängen, dass vegan gefährlich für Kinder sei. Dies begünstigt die Annahme, vegane Eltern begingen Kindesmissbrauch. Demgegenüber werden Gesundheitsschäden von Kindern durch eine falsche nicht-vegane Ernährung in den Medien kaum thematisiert. Wenn Eltern ihre Kinder unterernähren oder ihnen ausschließlich Fastfood geben, kommt niemand auf den Gedanken, dass hierfür die Mischkost mit Fleisch an sich verantwortlich sei.

Durch die überproportionale und faktisch inkorrekte Berichterstattung über Gesundheitsschäden bei Kindern, die angeblich vegan ernährt werden, wird bei vielen Leserinnen und Leser eine rein subjektive Assoziation zwischen vegan und Kindeswohlgefährdung geschaffen.

Diese Assoziation widerspricht dem wissenschaftlichen Forschungsstand, kann aber dennoch die Gefahr der Förderung von Diskriminierung und Ausgrenzung veganer Familien erhöhen, da der Bevölkerung der Forschungsstand in der Regel nicht bekannt ist. Deutlich wird, wie real diese Gefahr ist, durch das politische Agieren der Rechtspopulisten gegen die vegane Kinderernährung. So wurde in Italien eine Bestrafung von Eltern mit veganen Kindern gefordert. In Deutschland verlangt die AfD, dass vor einer veganen Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit öffentlich gewarnt werden solle. Eine konservative Politik gegen die vegane Ernährung betreibt aber auch Landwirtschaftsminister Schmidt, der vor veganer Kinderernährung warnt und zudem vegane Bezeichnungen verbieten will, die über die Ähnlichkeit in Geschmack und Zubereitung von veganen Lebensmittel mit nicht-veganen Produkten informieren.

Der Grund für den unberechtigten Vorwurf des Kindesmissbrauchs gegen vegane Eltern mit veganen Kindern liegt auch in einer einseitigen Medienberichterstattung. Hinzukommt, dass allgemein neuen Ideen und Lebensweisen, die die eigene tradierte Lebensweise infrage stellen, Skepsis entgegengebracht wird. Je stärker Menschen daher Fleisch und andere Tierprodukte als selbstverständlichen Teil ihrer Ernährung betrachten, desto stärker werden sie die Möglichkeit einer gesunden veganen Ernährung anzweifeln. Konservative oder rechtspopulistische Politiker greifen diese Grundängste auf und instrumentalisieren damit vegan lebende Familien für ihre politischen Zwecke. Es gibt allerdings auch positive Beispiele für eine differenzierte Berichterstattung in den Medien, wie beispielsweise ein Artikel bei Spiegel-Online über vegan in der Schwangerschaft oder ein sehr wohltuender Artikel in der Zeit zur veganen Kinderernährung.

Bei T-Online wurde ebenfalls ein sachlicher und informativer Artikel unter dem Titel "Vegane Ernährung: Groß werden ohne Fleisch und Milch - geht das?" veröffentlicht. Insgesamt dominiert aber eine unreflektierte anti-vegane Tendenz. Auszubaden haben die Folgen dieser Berichterstattung vegane Familien, denen seitens ihres sozialen Umfeldes Kindesmissbrauch vorgeworfen wird.

 

Wie können Veganer mit dem Problem umgehen?

Veganer lehnen den Konsum von Tierprodukten vorwiegend aus ethischen Gründen ab, da sie das dadurch verursachte Tierleid und die dadurch bedingten Umweltschäden für nicht verantwortbar halten. Vegan lebende Menschen und Eltern, die vegane Familien begründen, entscheiden sich bewusst für die vegane Lebensweise, um ihrem Gewissen zu folgen und die Voraussetzungen für eine friedfertigere und durch weniger Leid gekennzeichnete Welt zu schaffen.

Wissenschaftliche Studien stützen diese Wahl, wobei eine neuerliche Studie gezeigt hat, dass der weltweite Wechsel zur veganen Lebensweise Millionen Menschenleben retten, die Ernährungssicherheit erhöhen und der weltweiten Umweltzerstörung Einhalt gebieten könnte.

Weil vegane Eltern ihrem Gewissen folgen, wenn sie auch ihre Kinder vegan ernähren, kommt ein Kompromiss nicht infrage. Es kann von veganen Eltern nicht gefordert werden, künftig Tierprodukte für die Ernährung ihrer Kinder zu verwenden. Entsprechende Forderungen sind vielmehr aus veganer Perspektive als moralisch illegitimer Angriff auf die Freiheit und Menschenwürde veganer Eltern und Kinder zu bewerten. Eltern dürfen nicht gezwungen oder genötigt werden, ihren Kindern eine Ernährungsweise beizubringen – und damit auch entsprechende Geschmackskonditionierungen anzuleiten – die ihren ethischen Überzeugungen fundamental widerspricht.

Veganer haben daher keine andere Wahl, als sich gegen die gesellschaftlichen Vorurteile durch Aufklärung und dort, wo Übergriffe stattfinden, durch Protest und Widerstand zur Wehr zu setzen. Vegane Familien bedürfen dabei, weil sie im Fadenkreuz anti-veganer Angriffe stehen, der besonderen Unterstützung durch die gesamte vegane Community.

Das Recht veganer Familien auf ein Leben ohne Diskriminierung bei voller Beibehaltung ihres veganen Lebensstils, ist ein Menschenrecht, für welches sich alle vegan (und nicht-vegan) lebenden Menschen entschieden einsetzen sollten. Sehr hilfreich kann hier auch ein Zusammenschluss betroffener veganer Familie mit öffentlicher Darstellung ihrer Erfahrungen sein, wie sie im deutschsprachigen Raum durch Tofufamily geleistet wird.

Zum Abbau der Vorbehalte gegen vegane Familien gehört dabei auch die Durchsetzung der Forderung, dass in allen öffentlichen Einrichtungen, vom Kindergarten bis zum Seniorenheim, vegane Gerichte bei allen Mahlzeiten als Alternative zur Verfügung stehen. Vor Kurzem hat ein Berliner Gericht  – übrigens unter Berufung auf die DGE – das Recht veganer Kinder auf Verpflegung in Schulen verneint. Deutlich weiter ist Portugal, wo diese Forderung bereits gesetzliche Wirklichkeit geworden. Dies belegt, dass es sich hier keineswegs um Traumtänzertum handelt.

Bezüglich der DGE ist es zu begrüßen, dass diese ihren jahrelangen kompromisslosen Widerstand gegen jede Form einer veganen Kinderernährung mittlerweile aufgegeben hat, ihre kritische Haltung erheblich abgemildert hat und stattdessen nunmehr Ratschläge für die vegane Ernährung von Kindern im Internet veröffentlicht.

Umso mehr ist von der DGE aber zu fordern, der medialen Vereinseitigung entgegenzuwirken und künftig Zusammenfassungen und Positionen zu formulieren, die dem internationalen Forschungsstand entsprechen und das Recht veganer Familien auf eine vegane Ernährung stärker in den Vordergrund stellen. Die DGE muss unverständlich klar machen, dass sie das Recht veganer Familien auf eine vegane Ernährung unterstützt und die Verweigerung veganer Ernährung für bestimmte Alters- oder Personengruppen durch öffentliche Einrichtungen und Gerichte sich nicht mit den Positionen der DGE begründen lassen. Es ist an der Zeit, dass die DGE sich von der grassierenden Diskriminierung veganer Familien in aller Deutlichkeit distanziert, und zwar in einer Deutlichkeit, die auch von Medien nicht übersehen und falsch verstanden werden kann. Ebenso sollte die DGE im Übrigen künftig ihre Ernährungsempfehlungen eng mit der Nachhaltigkeit der Lebensmittel verbinden, da sich alles andere gegen die Erfordernisse des Umweltschutzes und der Gewährleistung der Ernährungssicherheit künftiger Generationen wendet. Diesen Erfordernissen werden vegane Familien in besonders hohem Umfang gerecht und sollten dafür nicht durch Hindernisse, Missachtung oder gar Vorwürfe des Kindesmissbrauches bestraft werden.

Die Vorbehalte gegen die vegane Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und im Kindesalter bilden derzeit die stärkste Bastion, die sich der veganen Lebensweise noch entgegenstellt und auf eine dauerhafte Aufrechterhaltung der Tierausbeutung und der mit ihr verbundenen negativen Folgen für Tier, Mensch und Umwelt drängt. Die Überwindung dieses Widerstandes wird daher für die weitere Ausdehnung der veganen Lebensweise von entscheidender Bedeutung sein.

Vegane Familien leisten bereits heute einen kaum zu überschätzenden Beitrag für die Ausbreitung des Veganismus, seiner Absicherung für die Zukunft und damit gegen Tierausbeutung, Umweltzerstörung und für die weltweite Ernährungssicherheit. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr solcher Familien. Für vegane Familien als Betroffene und für den Veganismus als gesellschaftliche Bewegung ist es daher von kritischer Bedeutung, dass sich die gesamte vegane Community hinter diese Familien stellt und ihnen den Rücken stärkt.

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