Europäischer Gerichtshof: Schächten darf verboten werden
Schächtverbot in Flandern bestätigt
Das Schächten darf verboten werden und dies verstößt nicht gegen die Religionsfreiheit. Dies hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt.
Die belgische Region Flandern hat bereits 2017 die Schlachtung ohne Betäubung unter Berufung auf den Tierschutz verboten.
Hiergegen war durch jüdische und muslimische Verbände geklagt worden, da es in ihnen Religionen Vorschriften gäbe, die Tiere nicht zu betäuben.
Das Gericht entschied nun, dass das Verbot des Schächtens rechtens sei und das durch die EU anerkannte Ziel des Wohlergehens der Tiere fördere.
Vegane Perspektive zu Schächtverboten
In einigen Facebook-Kommentaren brach das große Jubeln aus und es mischte sich mit antijüdischen oder antimuslimischen Tönen:
- Abgesehen davon sind die deutschen Politiker doch eher dafür bekannt, dass sie sich nicht mit einer Glaubensrichtung anlegen wollen, nachher heißt es wieder das wäre Diskriminierung. Also wird weiterhin alles erlaubt und in jeden Hintern gekrochen... Hauptsache sie haben ihre Ruhe und für ein "paar Tiere" die schon immer ausgebeutet wurden machen, sich diese Lobbyisten doch keinen Stress.... Halal gehört doch mittlerweile zum Standard im Supermarkt so wie der Islam angeblich zu Deutschland, herzlichen Glückwunsch zur Toleranz.
Aus veganer Sichtweise lautet die Antwort darauf:
- Erstickungsqual im Co2, Zerschreddern von Küken, Kochen von lebenden Hummern, Ersticken von Fischen, das unglaubliche Leid der Hühner vor und in den Schlachthäusern sind keinen Deut besser als Schächten. Die Fleischesser narkotisieren sich selbst mit der Betäubung, um das Fleisch der getöteten Tiere mit gutem Gewissen essen zu können.
Die Elektrobetäubung ist auch nicht ohne:
- abgesehen von Fehlern bei der Handhabung gibt es nach wissenschaftlichen Untersuchungen immer eine nicht mehr zu minimierende Fehlbetäubungsrate, die dann aber sogar zu größerem Leid führt als die Tötung durch Aufschneiden der Speiseröhre, Luftröhre und Halsschlagader durch einen Schnitt mit einem scharfen Messer. Denn einige Tiere verlieren auch bei der Elektrobetäubung nicht das Bewusstsein, sondern geraten lediglich in einen epileptischen Verkrampfungszustand, während dessen sie ihre eigene Schlachtung (die nicht sofort die Halsschlagader durchtrennt) bei vollen Schmerzen miterleben.
Eine Teilnehmerin bei Facebook schrieb:
- heute schächtet man nicht mehr, wir sind im 20. Jahrhundert.
Die Antwort aus tierrechtlicher Sicht muss leider lauten:
- ja, im 20. Jahrhundert zerschreddert und vergast man nur.
So kann ich also leider in den Jubel nicht einstimmen. Denn selbst wenn dies Verbot europaweit oder gar weltweit käme, am milliardenfachen Tierleid würde dies nichts oder kaum etwas ändern.
Auch sollten wir den psychologischen Effekt nicht unterschätzen:
- der Verweis auf angeblich humane Methoden der Tierhaltung und der Tierschlachtung dient vielen Menschen dazu, ihren Fleischkonsum fortzusetzen.
Das ist so ähnlich wie mit dem Bio-Fleisch, was das Tierleid auf diesem Planeten in keiner Weise mindert, aber bizarrerweise selbst für diejenigen eine Legitimation ihres eigenen Fleischkonsums ist, die gar kein Bio-Fleisch kaufen oder dies nur manchmal tun. Seine Existenz genügt, um das aus dem Fleischkonsum resultierende Schuldgefühl zu mindern und den Konsum ohne Dissonanzen fortzusetzen.
Kein Grund für Eigenlob
Ich muss auch sagen, dass mir seit Jahren schon auffällt, dass sich aufseiten, wo Menschen gegen Tierrechtsverletzungen in anderen Kulturen zu Felde ziehen, oftmals fremdenfeindliche Ideologien sammeln, die damit gleichzeitig die in den eigenen Gesellschaften grassierende Tierverachtung weiß waschen.
Dies betrifft beispielsweise auch das Thema Hundefleisch hier in Südost-Asien. Eine Reihe von Gruppen leistet intensive Kampagnenarbeit gegen Hundefleisch. Auf entsprechenden Facebook-Seiten finden sich regelrechte Hasstiraden gegen Asiaten - die eigenen Schweine, Kühe, Ziegen, Schafe und Fische werden da vergessen. Empfohlen wird übrigens mehr oder weniger explizit, statt Hunden Hühner zu essen.
Wo liegt der Gewinn für die Tiere?
Deutschland ist zusammen mit den USA und Spanien Schweinefleisch-Exportweltmeister. Das sollte als korrigierender Hinweis genug sein.
In muslimischen Ländern wird bei weitem weniger Fleisch gegessen als in christlichen Ländern, auch wenn für den Wohlstand korrigiert wird. Sachlage ist, dass selbst in den reichsten arabischen Ländern pro Kopf weniger Fleisch gegessen wird als in Deutschland.
Es gibt also wirklich nicht den geringsten Anlass, mit Empörung auf andere Kulturen, Religionen oder Länder zu blicken.
Die Tierausbeutung betrifft alle Gesellschaften dieser Erde und sie ist in Westeuropa und den USA quantitativ sogar besonders stark vertreten.
Notwendig ist nicht ein selbstgerechter Kampf gegen andere Kulturen, sondern internationaler Solidarität all derjenigen, die ernsthaft gegen die Tierausbeutung und für die Überwindung der Nutztierhaltung kämpfen.
Die vegane Perspektive wendet sich gegen jedes Schlachten und damit selbstverständlich auch gegen das Schächten. Sie jubiliert aber nicht, wenn eine Schlachtart durch eine andere ersetzt werden soll.
Trotzdem finde ich das Urteil des Europäischer Gerichtshof positiv, und zwar deshalb, weil die Bedeutung des Tierwohls herausgestellt wird.
Tierrechte vor Religionsfreiheit
Selbstverständlich trete ich für Religionsfreiheit ein, die aber dann an ihre Grenzen stößt, wenn Menschenrechte oder Tierrechte durch sie beeinträchtigt werden. Dies betrifft den christlichen Weihnachtsbraten ebenso wie anderes Schlachten, egal unter welcher Religion oder mit welcher Ideologie es durchgeführt wird.
Im Übrigen finde ich es sehr bedauerlich, wenn Religionsvertreter für ihre Religion in Anspruch nehmen, diese erlaube keine Betäubung und dies dann sogar noch zum Kern ihrer Religion erklären.
Als die Regeln zum rituellen Schlachten aufgestellt wurden, gab es keine Betäubung und Tiere wurden damals auf alle nur erdenklichen Arten zu Tode gebracht. Die religiösen Regeln zum Schlachten sollten das Leid damals begrenzen.
Ein Verbot der Betäubung lässt sich aus den Darlegungen in Bibel oder Koran nicht ableiten, denn diese war damals noch gar nicht bekannt.
Da es jedoch bereits damals auch um Leidminderung ging, ist zu vermuten, dass die gleichen Personen, die diese Regeln aufstellten, heute Betäubung vorgeschrieben hätten.
Ich würde es mir wünschen, dass ein Urteil des Europäischen Gerichtshof dem Tierwohl tatsächlich zum Durchbruch helfen würde - leider sind wir davon aber noch weit entfernt.
Die Erlaubnis, das Schächten zu verbieten, verändert bedauerlicherweise diese Situation nicht.