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Kontroverse um Vegetarierbund und Fleischindustrie

Kontroverse um Vegetarierbund und Fleischindustrie

Klaus Gaiser, der Gründer und Geschäftsführer von Topas, einem Traditionsanbieter für vegane Fleischalternativen, hat vor Kurzem angekündigt, aus dem Vegetarierbund (VEBU) auszutreten. Grund hierfür sei die Zusammenarbeit des VEBU mit der Fleischindustrie. Diese bestehe darin, dass vegane und vegetarische Produkte auch von großen Fleischfirmen, wie dem Fleischkoloss Rügenwalder Mühle, mit dem Logo „Unterstützt vom VEBU“ ausgezeichnet werden würden.

Tatsächlich werden durch den VEBU entsprechende Produktauszeichnungen in Absprache mit den Produzenten durchgeführt. Langfristig erhofft sich der VEBU dadurch offenbar einen Aufschwung für vegetarische und vegane Alternativen.

Gaiser demgegenüber wirft dem VEBU vor, solche Produkte zu unterstützen, die durch die Verwendung von Eiern Tierleid nicht vermindern würden. Tatsächlich stünden - hier stützt sich Gaiser auf die Berechnung des Stern-Journalisten Derik Meinköhn- im direkten Vergleich bei Verwendung von Eiern bei einem Morzarella-Produkt einem einzigen für das Fleischprodukt geschlachteten Schwein 11 Hühner gegenüber. Der VEBU wiederum zeichnet deshalb auch vegetarische Produkte aus, weil er sich als Interessenvertreter von vegetarisch und vegan lebenden Menschen versteht.

Wie ist diese Kontroverse aus veganer Sichtweise zu bewerten?

- Grundsätzlich ist die Verfügbarkeit von erschwinglichen Fleischalternativen auch in großen Supermarktketten begrüßenswert, weil so Menschen erreicht werden können, die ansonsten kaum für eine fleischfreie oder vegane Ernährung gewonnen werden könnten. Durch das Kennenlernen der fleischfreien Alternative können Verbraucher womöglich auch für einen dauerhaften Wechsel zum fleischfreien Produkt gewonnen werden. Je mehr fleischfreie Alternativen vorliegen, desto stärker dürfte auch bei den Verbrauchern das Wissen darüber verankert werden, dass für Geschmackserlebnisse kein Fleisch gegessen zu werden braucht. Wenn das gleiche Geschmackserlebnis ohne Fleisch möglich ist, warum sollte weiterhin auf Fleisch zurückgegriffen werden?

- Beklagenswert ist, dass durch die Auszeichnung von Produkten von Firmen, die ansonsten Fleischprodukte erzeugen und vertreiben, ausgerechnet solche Firmen unterstützt werden, die vom Tierleid leben. Dadurch wird letztlich die Verdrängung derjenigen kleineren Firmen gefördert, die sich tatsächlich aus ethischen Gründen bereits seit Langem für Erzeugung und Handel mit Fleischalternativen entschieden haben. Genau diese Erfahrungen macht bereits der vegane Traditionshersteller Lord of Tofu: "Seitdem der VEBU auch große konventionelle Fleischkonzerne unterstützt, werden wir als Produzenten von veganen Bioland-Lebensmitteln aus den Lebensmittelgeschäften wieder ausgelistet." Lord of Tofu ist daher bereits aus dem VEBU ausgetreten. Aus rein veganer Sichtweise kann diesem schmerzlichen und unerwünschtem Nebeneffekt jedoch keine Priorität eingeräumt werden, da ohne ein Umschwenken der großen Produzenten und Händler eine signifikante Abnahme von Fleisch- und Tierproduktekonsum nicht erreichbar sein wird. Um eine solche Abnahme zu erreichen, werden letztlich Verhaltensänderungen bei den großen Produzenten und Händlern notwendig. Eben dies kann auch durch eine Auszeichnung von Produkten, wie durch den VEBU, gefördert werden. Um den tatsächlich ethisch motivierten Unternehmen gerecht zu werden, könnte eine weiteres Logo eingeführt werden mit einer Bezeichnung, wie "tierleidfreier Betrieb". Dadurch könnte der VEBU noch stärker als bisher auch die kleineren und tatsächlich von ihrem Tun überzeugten Unternehmen unterstützen.

- Der VEBU vereint vegetarisch und vegan lebende Menschen. Auch wenn aus veganer Sichtweise eine ovo-lacto vegetarische Ernährungsweise fraglos unzureichend ist, ist der Wechsel zur vegetarischen Ernährung ebenso fraglos als ein Schritt in die richtige Richtung zu bewerten. Gerade auch weil die allermeisten vegan lebenden Menschen nicht sofort Veganer, sondern zunächst Vegetarier werden, dient die Zunahme des Vegetarismus der Verbreitung des Veganismus. Da der VEBU vegane und vegetarische Mitglieder vereint, mag es zunächst ebenfalls nachvollziehbar scheinen, dass nicht nur vegane, sondern auch vegetarische Produkte ausgezeichnet werden. Diese Sichtweise hält aber einer näheren Analyse nicht stand: Wenn die Produkte großer Fleischhersteller dafür ausgezeichnet werden, dass sie beispielsweise Eier statt Fleisch verwenden, werden diese Firmen unterstützt, ohne dass auch nur ein minimaler Fortschritt für die Tiere erreicht werden würde. Es findet einfach nur eine Verschiebung dahingehend statt, dass die Eier dann eben verstärkt für die vegetarischen Produkte und das weiterhin anfallende Fleisch – die Hühner werden eines Tages geschlachtet - für andere Produkte genutzt wird. Würden sich die eihaltigen Produkte global durchsetzen, würde letztlich die Rechnung von Gaier aufgehen und es müssten nunmehr sogar mehr Tiere sterben als zuvor. Dies kann nicht im Interesse des VEBU liegen, auch wenn er vegetarische und vegane Menschen vertritt.

- Durch die Auszeichnung von Eierprodukten werden die Fleischfirmen letztlich nicht motiviert, die Nutztierhaltung zu reduzieren oder gar aus ihr auszusteigen. Dies gilt umso mehr, als dass bei der Eierproduktion immer auch Fleisch anfallen wird, welches dann ebenfalls zu verwerten ist. Es wird nicht einmal ein minimaler Anreiz zur Reduktion der Anzahl der betroffenen Tiere geleistet. Es wird daher nicht der kleine Schritt in die richtige Richtung belohnt, sondern ein Stillstand wird belohnt, der sogar bei globaler Zunahme des Eierkonsums aus tierbezogener Sichtweise zu einem Rückschritt führen könnte.

- Durch die Auszeichnung von Tierprodukten besteht zudem die Gefahr, dass der Absatzmarkt für die längst vorhandenen rein pflanzlichen Alternativen geschwächt wird. Wenn aber vegan durch vegetarisch verdrängt wird, schadet dies direkt den Tieren. Der VEBU erhofft sich zwar von der Auszeichnung gemäß Stellungnahme gegenüber der TAZ, langfristig so mehr Menschen für den ausschließlichen Konsum veganer Produkte zu begeistern. Dieser Hoffnung steht aber die Gefahr gegenüber, durch die Förderung von Eierprodukten die Durchsetzung des veganen Fleischersatz eher zu erschweren.

- Das Grundproblem der Eierproduktion ist dem VEBU vollauf bewusst. Auf der VEBU-Webseite steht hierzu "Allen Formen der Hühnerhaltung sind folgende Hauptprobleme gemein: Die Hühner leiden in der Hühnerhaltung unter der ihnen angezüchteten unnatürlichen Legeleistung. Alle Legehennen werden nach einer Legeperiode im Alter von knapp eineinhalb Jahren geschlachtet. Ihre Brüder werden direkt nach dem Schlüpfen getötet." Es folgt die aus tierbezogener und veganer Sichtweise korrekte Schlussfolgerung: "Der beste Weg, das Leiden der Legehennen zu verhindern, ist, keine Eier und Produkte, die Ei-Bestandteile enthalten, zu konsumieren. Die gute Nachricht ist, dass man weder zum Kochen noch zum Backen Eier braucht." Dass der VEBU als Verbund von Vegetariern und Veganern diese Bewertung in aller Klarheit vornimmt, ist in aller Form zu begrüßen.

- Vegetarisch lebende Personen können ohne Probleme pflanzliche Produkte konsumieren, sie werden also nicht vom Konsum durch den VEBU ausgezeichneter veganer Produkte ausgeschlossen. Vegan lebende Personen können aber keine Tierprodukte konsumieren und werden daher von dem Konsum solcher durch den VEBU ausgezeichneter Produkte ausgeschlossen. Gerade weil vegan auch immer vegetarisch ist, spricht alles dafür, dass sich der VEBU auf die Auszeichnung von rein pflanzlichen Produkten fokussiert. Dadurch würde dann auch tatsächlich – wenn der Konsum sich stark erhöhen sollte - ein Beitrag für den Abbau der Nutztierhaltung geleistet und eine Alternative zu Tierleid etabliert. Dies entspricht den Interessen der vegetarischen und der veganen Mitglieder des VEBU.

- Dem VEBU sei also geraten, seine Auszeichnungspraxis zu überdenken. Damit Eierprodukte keine Pflanzenprodukte verdrängen und damit Tierausbeutungsfirmen nicht ganz einfach nur ihr Ausbeutungssortiment geschickter verteilen, sollte der VEBU ausschließlich pflanzliche Produkte als vegetarisch und vegan auszeichnen. In diesem Fall wäre dann auch die Auszeichnung eines Produktes der Tierausbeutungsindustrie im Interesse der Ausbreitung der pflanzenbasierten Ernährungweise zähneknirschend hinzunehmen. Dennoch sollten Veganer und Vegetarier den wirklich für die Tiere einstehenden Firmen, wie Topas, treu bleiben, was der VEBU durch ein weiteres Logo unterstützen könnte.

Abschließend möchten wir der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Klaus Gaiser dem VEBU erhalten bleiben und sich innerhalb des VEBU für eine Veränderung der Auszeichnungspraxis einsetzen wird.

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