Temple Grandin: Ein Leben für die Tiere oder für die Fleischindustrie?

Temple Grandin: Ein Leben für die Tiere oder für die Fleischindustrie?

Das Lebenswerk von Temple Grandin ist eine Vielzahl von wissenschaftlichen Artikeln über die Effektivität des Schlachtprozess es der verschiedensten Tierarten, ob Hühner, Kühe, Schweine oder Pferde. Seit Jahrzehnten hat sie sich der Untersuchung und Optimierung des Transport- und Schlachtprozess es von Tieren verschrieben, um das Leid der Tiere zu mindern, aber auch um die Fleischqualität zu verbessern. Unzählige Veränderungen des Schlachtvorganges sind durch ihre Initiativen in den USA wie auch in anderen Ländern eingeführt worden. Temple Grandin wird hoch geehrt durch die Tierrechteorganisation PETA, aber ebenso durch die Fleischindustrie.

Wie ist ihr Wirken aus veganer Sichtweise zu beurteilen?

Temple Grandin ist keine Veganerin und sie setzt sich auch weder für Vegetarismus noch für Veganismus ein. Sie streitet nicht für eine Welt, in der die Menschen aufhören, Tiere zu töten, um sie konsumieren zu können. Insofern ist Temple Grandin sicherlich keine Verbündete derjenigen, die sich für eine vegane Lebensweise einsetzen.

Veganer und Tierrechtler mögen Temple Grandin verurteilen, weil sie durch ihren Einsatz für eine Verbesserung der Schlachtungsmethoden das Bild eines humanen Schlachtens nährt und damit den Eindruck fördert, dass das Schlachten von Tieren mit einer Tierschutz-Orientierung vereinba sei.Ihr Wirken mag insofern verstanden werden als Versuch, der fleischessenden Gesellschaft ein gutes Gewissen zu ermöglichen, ohne dass sie auf den Konsum von Fleisch- und anderer Tierprodukte verzichten müsste. Temple Grandin, so kann argumentiert werden, hat ihr Leben vor allen in den Dienst der Fleischindustrie gestellt, der sie zu einem besseren Ruf bezüglich Tierschutzaspekten und gleichzeitig einer verbesserten Fleischqualität verhilft.

Das Wirken von Temple Grandin mag allerdings auch ganz anders verstanden werden gemäß des Mottosvon PETA "Helping the Animals We Can't Save". Aus dieser Sichtweise wäre die Welt ohne Menschen, wie Temple Grandin, nicht besser, sondern schlechter. Temple Grandin hat sich einem Sachverhalt gestellt, dem viele von uns wohl eher ausgewichen wären, nämlich der Tatsache, dass Tiere in Massen zur Fleischproduktion getötet werden und dabei aufgrund ihrer Schmerz- und Stressempfindlichkeit leiden. Sie hat mit enormer Anstrengung Methoden und Wege gefunden, nicht um dies Leid abzuschaffen, aber doch um es signifikant zu mindern. Sie hat Modifikationen in den Schlachthäusern bewirkt, aufgrund derer - wenn sie angewandt werden - wenigstens die große Mehrheit der Tiere vor der eigentlichen Schlachtung das Bewusstsein verliert, auch wenn selbst bei optimaler Ausrichtung eine kleine Minderheit immer bei Bewusstsein und leidend sterben wird. Sie hat Vergleichsstudien veröffentlicht, deren lesen für jeden, der die Tötung von Tieren aus ethischen Gründen ablehnt, äußerst bedrückend ist, deren Ergebnisse aber doch zu einer Minderung des Leides unzähliger Tiere führten. Sie hat die Schlachthäuser nicht gemieden, sondern sie hat sie aufgesucht und sie hat einen Beitrag dafür geleistet, dass eine Reihe von ihnen besser funktionieren, indem sie den Bewusstseinsverlust schneller und bis zum Tod anhaltend herbeiführen. Insofern mag man sogar sagen, dass Temple Grandin mehr zur Minderung des unmittelbaren Leidens von Tieren beigetragen hat als womöglich alle Veganer zusammen, aufgrund deren Tierprodukteverzicht wegen der Überschussproduktion wahrscheinlich nicht ein Tier gerettet wurde. Ohne Menschen wie Temple Gardin wäre es wohl viel weniger Tieren vergönnt, wenigstens den Schlachtprozess an sich nicht mehr bewusst erleben zu müssen.

Bei der Bewertung von Temple Gardin entsteht eine Ambivalenz - eine einfache Bewertung ihres Wirkens ist nicht möglich. Letztlich ist es die alte und vermutlich nicht gänzlich befriedigend auflösbare Frage von Reform versus Umsturz. Temple Grandin hat die Schlachthäuser reformiert, aber das System der Tierausbeutung und Tiertötung nicht umgestürzt und auch keinen Beitrag für einen künftigen Umsturz geleistet. Sie hat konkreten Tieren geholfen, aber ohne sie zu retten. Gleichzeitig ist sie durch ihr Wirken mindestens mittelbar eine Stütze der Tierausbeutungs- und Tiertötungsindustrie.

Wo viel Licht ist, ist auch viel Dunkelheit. Vermutlich lässt sich nur so das Wirken von Temple Grandin aus veganer Sichtweise abschließend bewerten. Sie nur zu verurteilen, hieße das geminderte Leid und damit die Interessen der Tiere gering zu schätzen. Wären nicht auch wir froh, wenn der Terror des letzten Abschnittes unseres Lebens gemindert und wir wenigstens die allerletzten Sekundenin Bewusstlosigkeit versinken, anstatt bei vollem Bewusstsein aufgeschnitten zu werden? Temple Gardin nur zu belobigen, hieße aber andererseits die stabilisierende Rolle zu übersehen, die sie für die Aufrechterhaltung der Tierausbeutungs- und Tiertötungsindustrie ausübt.

Das eine tun - für eine unmittelbare Leidminderung eintreten - aber das andere nicht lassen, nämlich für die Überwindung der letztlich eben nicht durch Leidminderung außer Kraft zu setzenden Barbarei der Schlachthäuser zu plädieren, ist wahrscheinlich der beste Weg. Insofern sollten Tierschutz und Tierrechte nicht gegeneinander ausgefochten werden, sondern miteinander vorangehen, auch wenn es manchmal bitter ist.

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