Widersprüche und Identität ethisch motivierter Veganer

Widersprüche und Identität ethisch motivierter Veganer

Jessica Greenebaum (2012) hat soeben eine qualitative Studie zur Fragestellung der personalen Identiät ethisch motivierter Veganer und ihres Strebens nach Authentizität vorgelegt. Untersucht wurden insbesondere die Einstellungen ethisch motivierter Veganer zu sogenannten "Gesundheits-Veganern" sowie auch der Umgang mit eigenen Unzulänglichkeiten und Kompromissen bezüglich der Zielstellung, keine Tierprodukte zu konsumieren, um auf dieser Basis die "vegane Identität" näher zu umschreiben.

Die Studie ist qualitativ orientiert und es liegt ihr eine kleine Stichprobe von insgesamt 16 interviewten ethisch motivierten Veganern zugrunde. Während insofern der Generalisierungsgrad der Befunde wohl eingeschränkt ist und weitere Facetten als die herausgearbeiteten vermutlich identifizierbar wären, ergibt sich doch ein interessanter Einblick in die personalen Verarbeitungsweisen ethisch motivierter Veganer.

Die Befunde lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

- Gemeinsamkeit aller untersuchten ethisch motivierten Veganer war eine kritische Einstellung zu "Gesundheits-Veganern", denen eine Eigennützigkeit der Interessen wie auch eine potentielle Instabilität ihrer Vermeidung von Tierprodukten vorgeworfen wurde.

- Alle ethisch motivierten Veganer stellten als dominantes Motiv für die Entscheidung zur veganen Lebensweise heraus die Einsicht in die gesellschaftliche Grausamkeit gegenüber Tieren und das Bestreben, alles Mögliche zu tun, um das hierdurch zugefügte Leid zu eliminieren.

- Ebenfalls betonten alle interviewten ethisch motivierten Veganer, dass Veganismus nicht nur eine Ernährung oder Diät, sondern eine Lebensweise sei, die alle Bereiche des Lebens umfasse. Stolz und Zufriedenheit damit, aus ethischen Gründen vegan zu leben, wurden allgemein formuliert.

- Die Stringenz, mit der Tierprodukte vermieden wurde, unterschied sich innerhalb der Stichprobe der interviewten ethischen motivierten Veganer. In zwei Fällen wurden aufgrund schmerzhafter Füße Lederschuhe getragen, obwohl eine klare Ablehnung von Lederprodukten ansonsten auch von den beiden Betreffenden eindeutig formuliert wurde. In mehreren Fällen wurde zudem der Konsum von Honig als weniger inkompatibel mit einer veganen Lebensweise definiert, selbst wenn sein Konsum nicht anzustreben sei.

- Die handlungsbezogenen Einstellungen zu Medikamenten variierte ebenfalls deutlich, wobei allgemein eher eine medizinkritische Haltung bestand und mehrere der Interviewten eine Affinität zur Naturheilkunde beschrieben. Letztlich formulierte aber die Mehrheit der Befragten eine Bereitschaft, auf einer Fall zu Fall-Basis Medikamente einzunehmen, selbst wenn diese an Tierprodukten getestet worden seien.

-Ethisch motivierte Veganer reagierten mit unterschiedlichen Strategien, um mit auftretenden Inkonsistenzen in ihrem eigenen Lebensstil umzugehen unddoch an der Selbstdefinition als Veganer festhalten zu können. So wurden Schuldgefühe beschrieben, aber auch ein Rückzug aus dem politisch aktiven Veganismus sowie das Gegenteil eines besonders deutlichen Auftretens. Oftmals wurden "graue Bereiche" definiert, die den Konsum spezifischer Tierprodukte, wie Honig, als als weniger schlimm einordneten. Eine weitere Strategie war, die Verantwortung der gesellschaftlichen Struktur herauszuheben, aufgrund derer eine vollständige Vermeidung tierischer Produkte in jeder Situation nicht möglich sei, zumal dies konsequenterweise auch die Unterstützung aller Firmen, die mit Tierqualprodukten Umsätze erzielen, einschließen müsste.

-Als Konvergenz ergab sich schließlich, dass es nicht möglich ist, zu 100% Tierprodukte zu vermeiden, wobei die sich selbst gestellte Forderung an ethisch motivierte Veganer aber lautet, alles im Möglichen liegende zu tun, um den Konsum von Tierprodukten zu vermeiden, was letztlich eine Verminderung bedeutet, wobei Meinungsunterschiede über die Bestimmung des Möglichen erkennbar wurden.

Die Untersuchung macht in der Bilanz noch einmal deutlich, dass sich hinter dem Begriff "vegan" kompliziertere Sachverhalte und Anforderungen verbinden, die bei ethisch motivierten Veganern - trotz einheitlicher Hervorhebung der Bedeutsamkeit der Minderung menschenverursachten tierischen Leidens - zu unterschiedlichen Verhaltensweisen, Stringenzkriterien und Rechtfertigungsstrategien bezüglich Abweichungen vom veganen Ideal führen.

Für die Entwicklung des Veganismus wird es wesentlich sein, ohne in eine indifferente Versöhnungshaltung zu verfallen, dennoch Unterschiede anzuerkennen und konstruktiv zu bearbeiten, auch um eine sektiererische Spaltung in immer kleiner werdende Gruppen mehr oder weniger das Ideal der rein veganen Lebensweise erfüllender Gruppen zu verhindern.

Quelle:

Greenebaum, J. (2012)Veganism, Identity and the Quest for Authenticity. Food, Cultur, Society, 15, 129-144.

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