Fragwürdiger Tierschutz: IKEA gibt Preis zurück

Fragwürdiger Tierschutz: IKEA gibt Preis zurück

Einer Meldung der Albert Schweitzer Stiftung ist zu entnehmen, dass IKEA einen Tierschutzpreis zurückgegeben hat. Das Unternehmen habe 2011 für seine Restaurants die Auszeichnung Good Chicken Award ("Das werte Huhn") der internationalen Tierschutzorganisation Compassion in World Farming (CIWF) erhalten. Damals habe IKEA versprochen, das Leben seiner Masthühner binnen fünf Jahren deutlich zu verbessern. Diese Ankündigung habe IKEA jedoch bis heute nur in Teilen umgesetzt.

Mahi Klosterhalfen, Geschäftsführer der Albert Schweitzer Stiftung äußert sich über die Rückgrabe des Preises durch IKEA:

Wir waren sowohl überrascht als auch enttäuscht, dass IKEA seinen Tierschutzpreis zurückgegeben hat, anstatt die Anforderungen wie versprochen zu erfüllen.

Nunmehr hat die Albert Schweitzer Stiftung eine Online-Pettion mit bereits mehr als 33000 Unterzeichner gestartet, um eine Rücknahme der Rücknahme und die Einführung der höheren Standards für Masthühner durch IKEA durchzusetzen.

Fragwürdiger Tierschutz durch Preise

Aus veganer Sichtweise gibt dieser Vorgang Anlass, den Sinn solcher Preise an sich zu reflektieren. Der Preis impliziert, dass es Hühnern besser geht. Wenn das Huhn „wert“ ist, wie der Preis suggeriert, dürften die Verbraucher daraus zwanglos mehr oder weniger implizit oder explizit schließen, dass es ihm gut geht.

Wozu kann so etwas aber beim noch nicht veganen Verbraucher führen?

Nach meiner Einschätzung dürfte bei vielen nicht veganen Verbrauchern durch derartige Preise, Siegel und Aktionen vor allem folgende Denkkette aktiviert werden:

  • Es kann Nutztieren gut gehen
  • Wenn es Nutztieren gut gehen kann, dann ist die Nutztierhaltung kein grundlegendes Problem
  • Wenn die Nutztierhaltung kein grundlegendes Problem ist, dann spricht nichts gegen den Konsum von Tierprodukten
  • Wenn nichts gegen den Konsum von Tierprodukten spricht, kann ich weiter Tierprodukte essen

Auf der Verhaltensebene ist aus meiner psychologischen Sichtweise nicht zu erwarten, dass der Konsum von Tierprodukten durch solche Preise abgesenkt wird. Vielmehr mag der gelegentliche Kauf eines zertifizierten Produktes subjektiv oftmals genug schuldmindernden Ausgleich geben, um das eigene Konsumverhalten ansonsten unverändert fortzusetzen.

Genau diese Konsequenz wird jedenfalls bei Bio-Produkten im Allgemeinen immer wieder sichtbar. Die Möglichkeit des Ausweichens auf Bio-Fleisch wird durch Fleischesser regelmäßig erwähnt, wenn nach der Verantwortbarkeit des Fleischkonsums gefragt wird.

Der nur minimale Anteil von Bio-Fleisch am Gesamtmarkt belegt, dass dies Ausweichen tatsächlich gar nicht stattfindet. Allein die Möglichkeit scheint aber effektiv zu sein, um den eigenen Fleischkonsum von Bedenken und inneren Dissonanzen zu befreien.

Die Gefahr solche Preise ist daher nach meiner Einschätzung, dass sie die Nutztierhaltung am Ende stützen und einem Wechsel zur veganen Lebensweise entgegenstehen können. Denkbar wäre durchaus für die Zukunft, dass schließlich alle großen Tierkonzerne und Schlachthäuser über irgendein Zertifikat verfügen, welches den Verbrauchern eine verantwortungsvolle Tierhaltung oder – tötung vorgaukelt und damit die Aufrechterhaltung der Tierausbeutung fördert.

Gleichzeitig laufen Tierschützer Gefahr, mit solchen Preisen kostenlos das Marketing der Nutztierhaltung zu betreiben. So konnte IKEA den nicht erfüllten Preis jahrelang in seiner Außendarstellung verwenden und wird nun seinerseits sicherlich demnächst erneut die angebliche Vorbildlichkeit der Tierhaltung für die Restaurants, die es betreibt, auf andere Art und Weise in den Vordergrund zu stellen wissen.

Kooperation mit Tierausbeutern?

Zusammenarbeit mit Tierausbeutern ist aus veganer Sichtweise immer problematisch. Sie sollte nach meiner Einschätzung nur dann stattfinden (auch wenn sie immer eine bittere Pille ist), wenn mit ihr real eine Ausdehnung des veganen Angebotes und damit ein Anreiz zu einem Umstieg auf die vegane Lebensweise verbunden ist. Dies gilt beispielsweise für vegane Produkte in Supermärkten, nicht aber für vegetarische Produkte, die durch den Einsatz von Ei der Tierausbeutungsindustrie ansonsten den weiteren lukrativen Verkauf ihrer Produkte mit Tierschutzsiegel ermöglichen würden.

Zu hoffen ist, dass der Vegetarierbund (VEBU) dies künftig konsequenter handhabt und nur noch rein pflanzliche, vegane Lebensmittel auszeichnen lässt. Aktuell muss sich der VEBU nämlich den Vorwurf gefallen lassen, mit seiner Auszeichnung vegetarische Fleischalternativen veganen Alternativen gegebenenfalls sogar Schaden zuzufügen und den Absatz von Tierausbeutungsprodukten zu fördern. Der VEBU als Vertreterin von Vegetariern und Veganern befindet sich hier sicherlich auf den ersten Blickk in einer schwierigen Position. Aber da vegan auch immer vegetarisch ist, nicht aber vegetarisch immer vegan, lässt sich dies Problem durch die Förderung ausschließlich veganer Produkte zwanglos lösen.

Scheinerfolge verstellen den Blick

Die Gefahr solcher Preise an Tierausbeuter ist übrigens auch, dass Tierschützer selbst den Eindruck bekommen, von Erfolg zu Erfolg zu gelangen, wobei in Wirklichkeit doch die Tierausbeutung in den letzten Jahrzehnten nicht abgenommen, sondern zugenommen hat. Alle Preise und Kooperation mit Tierausbeutern haben hieran nichts ändern können.

Nach meiner Einschätzung ist der klassische Tierschutz gescheitert. Denn scheinbare Erfolge der Tierschutzbewegung gingen mit einer Eskalation der Tierausbeutung über die letzten 100 Jahre einher. Womöglich geht es so weit, dass der Tierschutz sogar die Ausdehnung der Tierausbeutung flankiert, indem er mithilft, die Idee einer verantwortungsvollen Tierhaltung im Bewusstsein der Menschen zu verankern.

Hoffnung geben in dieser Situation tut nur die Ausdehnung der veganen Lebensweise und die künftige Entwicklung von Kunstfleisch.

Das christliche Weihnachten steht vor der Tür. Eine riesige Zahl an Tieren verliert für dieses Fest alljährlich ihr Leben. Demnächst wiederholt sich dies Trauerspiel – diesmal unter islamischem Vorzeichen - beim Eid-Fest.

Das Leid der Tiere schreit weiterhin zum Himmel. Wir sollten und dürfen uns dennoch nicht entmutigen lassen, wenn wir die vegane Lebensweise und die Sache der Tiere vorantreiben wollen. Aber Preise für angeblich bessere Tierhaltung sind der falsche Weg und streuen den Verbrauchern nur Sand in die Augen, der die Tierausbeutung aufrechterhält.

Vegan als Weg

Der konsequente Einsatz für die vegane Lebensweise ist nach meiner Überzeugung der einzig mögliche Weg, um für Tiere und Menschen nachhaltige Veränderungen zu erreichen und eine im positiven Sinne menschenwürdige Gesellschaft zu schaffen, die nicht im vergossenen Blut der unnötig für unsere Ernährung getöteten Tiere watet. Der veganen Ernährung von Schwangeren, Stillenden und Kindern kommt dabei zentrale Bedeutung zu bei der Entstehung einer neuen Generation veganer Menschen, die bereits von den ersten Tagen ihres Lebens die Erfahrung machen konnte, dass das Leben, was nur durch Ernährung möglich ist, nicht an Tod und Vernichtung gekoppelt sein müssen.

In diesem Bereich sind tatsächlich Fortschritte erreicht worden, auch wenn die vegane Bewegung noch von einer Massenbewegung weit entfernt ist und ihr zudem noch die erforderliche internationale Vernetzung und Solidarität großenteils fehlt. Immerhin erkennen die größten ernährungswissenschaftlichen Organisationen in der Welt mittlerweile die Möglichkeit einer gesunden veganen Ernährung für alle menschlichen Alters- und Entwicklungsstufen explizit an.

Selbst die für ihren Konservatismus bekannte Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat mit ihrer letzten Stellungnahme de facto (wenn von der mit dem Haupttext nicht übereinstimmenden Zusammenfassung abgesehen wird) die Möglichkeit einer solchen gesunden veganen Ernährung auch von Schwangeren, Stillenden und Kleinkindern erstmals eingestanden.

Es sind also Fortschritte für den Veganismus zu verzeichnen, auch wenn der Weg zu einer veganen Welt weiterhin ein langer und steiniger sein wird. Genau für diesen veganen Weg setzt sich im Übrigen ja auch die Albert Schweitzer Stiftung ein und tut damit weitaus mehr für die Tiere als die nach meiner Ansicht zwecklose Petition an IKEA zu implizieren scheint.

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