Tierrechte gegen Menschenrechte?

Tierrechte gegen Menschenrechte?

Veganer sehen sich oft mit dem Vorwurf konfrontiert, sich durch ihr Eintreten für Tierrechte gegen Menschenrechte zu wenden. In Wirklichkeit ist aber die vegane Lebensweise geeignet, nicht nur die Lebens- und Schutzbelange von Tieren, sondern auch von Menschen zu fördern. Die auf den Schutz des Lebens und die Vermeidung von Leid ausgerichtete Theorie und Praxis des Veganismus würde auf das menschliche Miteinander generalisieren, wenn eine vegane Gesellschaft entstünde. Wer kein Fleisch isst , weil er nicht töten und kein Leid zufügen möchte, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit anderen Menschen ebenfalls kein Leid zufügen und sie nicht töten wollen. Die Anerkennung des Rechtes von Tieren auf ein nicht durch menschliche Gewalt gekennzeichnetes Leben würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schwelle für Gewaltanwendung insgesamt erhöhen und so auch zu einem friedlicheren menschlichen Miteinander führen.

Menschenfeindlichkeit: Woher kommt der Vorwurf?

Die vegane Lebensweise weicht tiefgreifend von der etablierten Mehrheitsnorm ab. Alle menschlichen Gesellschaften sind derzeit im wesentlichen auf die Nutzung von Tierprodukten ausgerichtet. Bestandteile von Tieren können daher in nahezu jedem Produkt enthalten sein, selbst Obst kann, wenn es gewachst wird, seinen rein pflanzlichen Status verlieren. Der Einschluss von Tierbestandteilen in die Produktionsprozesse ist so allumfassend, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine 100% vegane Lebensweise nicht möglich ist. Wer sich vegan nennt, vermeidet entsprechend nicht tatsächlich alle Tierprodukte, tut aber, was im Rahmen des Möglichen liegt, um den Konsum von Tierprodukten auszuschließen.

Aufgrund ihrer tiefgreifenden Abweichung von der Mehrheitsnorm erregt die vegane Lebensweise Aufmerksamkeit, aber auch Ablehnung. Denn Mehrheiten neigen dazu, das abweichende Verhalten von Minderheiten negativ zu bewerten. Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass sind hierfür Beispiele.

Negative Reaktionen der nicht-veganen Umwelt auf die vegane Lebensweise werden dadurch verstärkt, dass Veganer mit einem moralischen Anspruch an die Mehrheitsgesellschaft herantreten:

Das Leid, welches den Tieren zugefügt wird, soll beendet werden. Wir sollen aufhören, Tiere zu töten, um ihre Körperbestandteile oder Körperflüssigkeiten zu verzehren oder anderweitig zu nutzen.

Veganer üben notwendigerweise Kritik an der Mehrheitsgesellschaft, ob allein durch ihr Beispiel oder weil sie ihre Ansicht direkt zum Ausdruck bringen.

Wenn Menschen kritisiert werden, mögen sie ihr eigenes Verhalten hinterfragen und verändern, sie können aber ebenso mit einer Verteidigungshaltung reagieren. Unreife Formen der Verteidigung gehen sofort zum Angriff über, bleiben häufig blind für die Argumente. Herabwürdigung und Abwertung des Opponenten erscheinen nicht selten als der einfachste Weg, um sich eine aufwändigere argumentative Auseinandersetzung zu ersparen.

Der Verweis auf die "menschenfeindlichen Veganer" ist als Ausdruck einer solchen unreifen Abwehrhaltung zu betrachten. Der Vorwurf entsteht nicht, weil sich Veganer tatsächlich menschenfeindlich verhalten würden, sondern er ist allein als eine Ablenkungsstrategie zu bewerten. Denn mit den Argumenten von Menschenfeinden braucht man sich schließlich nicht länger zu beschäftigen.

Naive Tierschützer können menschenfeindlich sein

Auch wenn der Vorwurf der Menschenfeindlichkeit aus dem Repertoire eines unrefklektierten anti-veganen Abwehrimpulses stammt, kann dennoch nicht übersehen werden, dass es unter Tierschützern tatsächlich Menschenfeinde gibt. Natürlich betrifft dies nur eine kleine Minderheit der Tierschützer, aber es gibt sie.

Dies haben wir auch selbst auf unseren Facebook-Seiten festgestellt. Auf der Facebook Seite unseres Schwesterportals menschenrechte.eu kommt es regelmäßig zu Flutwellen von hasserfüllten Kommentaren, wenn wir über die Thematiken Asyl und Flüchtlinge schreiben, zuletzt im Rahmen der Bekanntmachung der Petition „Seenotrettung für Flüchtlinge jetzt!“.

Die Darstellung der Fliehenden als Schmarotzer, der Wunsch, sie sollten in den Fluten ertrinken, rassistische Verachtung gegenüber Afrikanern und extremer Hass gegenüber Menschen mit muslimischem Glauben werden dort immer wieder formuliert. Wenn wir uns dann auf die Facebook-Seiten der Kommentatoren begeben, treffen wir nicht nur auf Pegida und NPD-Symbole, sondern gelegentlich, aber systematisch auch auf Seiten, wo mit herzzerreißenden Bildern von Hunden, Katzen oder Robben gegen Tierqual aufgerufen wird!

Im Hintergrund solcher menschenfeindliche "Tierschützer" steht kein ethisch reflektierter Tierschutz, sondern die Tierschutzaktivitäten der Menschenfeinde beschränken sich in der Regel auf das Posten possierlicher oder herzzerreißender Bilder einzelner Tiere oder auch den Aufruf zu Tierrettungen im Einzelfall, ohne dass aber eine vegane Lebensweise als Konsequenz aus dem Tierschutzgedanken vertreten werden würde. Grund hierfür dürfte sein, dass die ethische Fundierung der veganen Lebensweise sich auf Empathie und Mitgefühl stützt, weshalb Leid und Tod vermieden werden sollen. Wer auf eine solche Argumentation zurückgreift, wird mit dieser aber schwerlich Menschenfeindlichkeit vereinbaren können. Wer nicht möchte, dass Tiere in Angst und Schrecken in die Schlachthäuser getrieben werden, wird kaum einem Menschen wünschen, in den Fluten zu ertrinken.

Dies bedeutet nicht, dass nicht selbst auch der Veganismus von Menschenfeinden, wie von Nazis, instrumentalisiert werden könnte. Jedoch bleiben diese Versuche an der Oberfläche und ohne Breitenwirkung, weil sie sich nur auf den Veganismus als Trend, nicht aber auf die ethische Legitimation des Veganismus berufen können, der jeder Menschenfeindlichkeit unvereinbar gegen übersteht.

Vegan heißt kein Blutvergießen

In der fleischkonsumierenden Gesllschaft gehört das Blutvergießen auch in Friedenszeiten zur täglichen Wirklichkeit. Der Akt der Tötung eines Tieres und seiner Ausweidung bleibt aber ein Gewaltakt, auch wenn er als legitim bewertet wird. Die Handlungen des Tötens und Ausweidens eines Tieres unterscheiden sich in ihren Handlungsabschnitten und den mit ihnen verbundenen sensorischen Wahrnehmungen nicht grundsätzlich von der Tötung eines Menschens.

Vielen Menschen ist dies unmittelbar bewusst und sie scheuen vor der Konfrontation mit der Gewalt zurück. Schlachthäuser haben keine Wände aus Glas und das Fleisch wird uns so dargeboten, dass vom Leben und Sterben des getöteten Tieres möglichst nichts mehr sichtbar ist. Andere kritisieren dies als Heuchelei, schließen daraus aber nicht, dass wir vegan leben sollten, sondern mystifizieren den Akt der Schlachtung eines Tieres als Ausdruck einer besonders Beziehung zwischen Tier und Mensch, die einen hohen ethischen Wert habe (siehe Kommentar zu einem Artikel von Manfred Klimek) . So wird das Schlachten eines Tieres zu einer fast sakralen Handlung, die angeblich zur Natur des Menschens gehöre. Am besten sollte jeder die Tiere selbst schlachten, die er esse, wird als Folgerung abgeleitet.

Die Mystifizierung der Tötung eines Tieres und der Zerstückelung seines Körpers, um es zu essen, verbreitet eine Faszination für das Töten. Die Scheu vor dem Töten soll überwunden werden. Übersehen wird, dass eine Faszination für das Töten von Tieren auch auf den Menschen als Tötungsobjekt generalisieren kann. Es wird kein Zufall sein, dass Serienmörder und Sadistien oft mit der Tötung von Tieren begannen. Denkwürdig ist ebenfalls die Faszination für Hausschlachtungen, die Achim Meiwes nach seinen Schilderungen bereits als Kind erlebte und die sich erst später in die Faszination für das Schlachten, Auseinandernehmen und Verzehren eines Menschens verwandelte.

Vegan wendet sich gegen jedes Blutvergießen. Der Veganismus wendet sich dagegen, dass Menschen lernen, Tiere zu töten, ihr Blut zu vergießen und ihre Körper zu zerstückeln. Die vegane Betrachtungsweise möchte weder, dass beim Schlachten im Akkord Menschen abstumpfen und sich an das Töten gewöhnen, noch dass sie Faszination entwickeln und die Schlachtung eines Tieres als quasi-mystisches Ereignis erleben.

Indem sich der Veganismus gegen jedes Blutvergießen wendet, ist er gleichzeitig der schärfster Gegner von gegen Menschen angewandter Gewalt. Der Veganismus verkörpert so die entschiedenste Gegenposition zum ISIS-Terrorismus und die durch diesen durchgeführten Entzauptungen. Dass die ISIS-Terroristen den Veganismus vertreten würden, wäre undenkbar. Dass aber jemand erst Tiere und dann Menschen tötet, ist als ein durchaus nachvollziehbarer Entwicklungweg zu betrachten, da die Gewalthandlung des Tötens an sich sehr ähnlich ist, egal, ob sie Menschen oder Tiere betrifft. Töten von Tieren kann zu Abstumpfung oder zu Faszination führen, die vom Tier als Tötungsobjekt auf den Menschen generalisieren kann.

Reiner Trend- und Gesundheitsveganismus ist ethisch indifferent

Die meisten vegan lebenden Menschen tun dies, um zu einer besseren Welt mit weniger Gewalt und Leid beizutragen. Es gibt aber auch einen reinen Trend- und Gesundheitsveganismus, dem die ethische Reflektion fehlt. Hier gibt es keinen Bezug zu Tierrechten oder zu Menschenrechten, wobei diese Form des Veganismus zeitlich eher instabil ist und sich durch kurzfristige gesellschaftlichen Trends oder auch einzelne Forschungsbefunde rasch beeinflussen lässt.

Gefahr der Bio-Ethik

Proteste von behinderten Menschen gegen Auftritte des Bio-Ethiker Peter Singer finden immer wieder weltweite Beachtung. Peter Singer ist weder Veganer noch Vegetarier, er plädiert auch nicht für eine vegane Gesellschaft. Dennoch wird die Bio-Ethik des Peter Singer oftmals mit dem Veganismus verwechselt, was zu einer falschen und für den Veganismus schädlichen Gleichsetzung seiner ethischen Überzeugungen mit einer utilitaristischen Euthanasielehre geführt hat, die durchaus Parallelen zu nationalsozialistischen Gedankensystemen aufweist, woran die Sachlage der jüdischen Abstammung von Peter Singer nichts zu ändern vermag.

Peter Singer plädiert tatsächlich weder für ein Recht der Menschen noch der Tiere auf Leben. Auch die Leidvermeidung gilt bei ihm nicht absolut, sondern soll in Abhängigkeit vom Wohl der Allgemeinheit bei Einzelfallentscheidungwen herangezogen werden. Das Lebensrecht eines Individuums ergebe sich dadurch, ob dies Individuum einen Personenstatus habe, der grundsätzlich sowohl von Tieren wie auch von Menschen erreicht werden könne, aber nicht müsse. Dieser Personenstatus ergebe sich dabei aus dem Vorhandensein eines Bewusstseins seiner selbst, wobei es sich hier allerdings nicht um eine empirisch fassbare Größe handelt, was Peter Singer nicht daran hindert geistig schwer behinderten Menschen, aber auch Säuglingen, den Personenstatus und damit auch das Lebensrecht abzusprechen.

Peter Singers erschreckende Popularität bei einigen Tierrechtlern und Veganern ergibt sich daraus, dass er die Grenze zwischen Tier und Mensch durchlässig macht, was durchaus den Grundpositionen des Veganismus entspricht. Entgegen dem Veganismus will Peter Singer aber das Lebensrecht an intellektuelle Fähigkeiten binden, so dass jedes einzelne Individuen, egal ob Mensch oder Tier, ein Lebensrecht nur erhält, wenn ein Bewusstsein seiner selbst bei ihm gesichert werden konnte, wobei diese Sicherung in Wirklichkeit spekulativ ist.

Ein weiteres Anwendungsgebiet der Bio-Ethik des Peter Singer ist der Umgang mit Komapatienten, die nach Ansicht von Singer schon aus ökonomischen Gründen keinen Anspruch haben, von der Gesellschaft am Leben gelassen zu werden. Singer argumentiert seit Jahrzehnten, dass diese Patienten kein Bewusstsein ihrer selbst hätten. Er tat dies bereits zu einem Zeitpunkt als sogenannte Locked-In-Patienten noch nicht identifizierbar waren und als ohne Bewusstsein fehlklassifiziert wurden. Hätte sich damals die Position von Peter Singer durchgesetzt, diese Menschen wären wohl alle und bei vollem Bewusstsein getötet worden. Dabei sind noch heute Fehlklassifizierungsraten hoch und mit feineren Instrumenten und Möglichkeiten werden in immer mehr Komapatienten bewusste Prozesse identifiziert.

Singers Bio-Ethik plädiert für Kosten-Nutzen-Analysen und die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit bei Fragen, wo es um Leben und Tod geht. In einer Gesellschaft, in der der Wert von Leben ökonomisch gemessen wird, hat diese Bio-Ethik bereits jetzt einen großen Einfluss erringen können.

Leider verwechselt der berechtigte Protest, der sich gegen Singer wendet, oftmals den tatsächlich anti-veganen Ansatz des Nicht-Veganer Peter Singer mit dem Veganismus und verbreitet dadurch in der Gesellschaft das unzutreffende Vorurteil, dass es sich beim Veganismus um eine menschenfeindliche Ideologie handele. So hat die Bio-Ethik Peter Singers dem Veganismus schweren Schaden zugefügt.

Eine vegane Welt wäre für Tier und Mensch eine bessere Welt

Mehr als zwei Milliarden Menschen leiden unter Mangelernährung oder Hunger. Kriege und Bürgerkriege durchziehen zahlreiche Länder und Gesellschaften. Europa lässt in Massen im Mittelmeer Flüchtlinge ertrinken. Milliarden sogenannter Nutztiere leben derweil unter oftmals schrecklichsten Bedingungen, ihr Lebenswert wird auf ihr Fleisch, Fett, ihre Milch oder ihre Eier reduziert. Sie enden im Schlachthaus. Die Anzahl der durch den Menschen getöteten Fische beträgt sogar mehr als eine Billionen jährlich. Die Umwelt wird großflächig zerstört, Wälder werden gefällt und Wüsten breiten sich aus. Die Artenvielfalt nimmt ab, der Treibhauseffekt wird nicht gestoppt.

Veganer essen kein Fleisch, um aus der Logik der Gewalt auszusteigen. Sie plädieren für ei
Lebensrecht für Tiere und Menschen, einen friedfertigen Lebenswandel und eine umweltverträgliche Lebensführung. Sie treten ein für eine pflanzenbasierte Ernährung, die gleichzeitig einfacher lagerbar, transportierbar und verteilbar ist. Getreidespeicher, nicht Fleischspeicher haben seit Menschengedenken Hungersnöte auch bei Fehlernten vermeiden können.

Würde die Gesellschaft vegan, würden Kinder niemals lernen, dass man töten darf, um zu essen. Sie würden vielmehr einen tatsächlich friedfertigen Umgang mit Tieren und Menschen erlernen. Die Schwelle für Gewaltanwendnung und Tötung würde heraufgesetzt werden. Der Respekt vor allen leidensfähigen Wesen würde zwanglos auf den Menschen generalisieren.

Eine vegane Gesellschaft würde es nicht zulassen, dass Menschen hungern und sie würde Menschen in Not nicht im Stich oder ertrinken lassen, sondern ihnen beistehen. Der Wert von Leben würde nicht nach den Richtlinien der Bio-Ethik gemäß intellektueller Leistungsfähigkeit oder ökonomischer Überlegungen berechnet werden, sondern bedingungslos anerkannt werden. Eine vegane Gesellschaft würde so die Chance beinhalten, die Menschenrechte nicht nur verbal-rhetorisch, sondern tatsächlich und auf der Basis von Akzeptanz, Wertschätzung und Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Menschenrechte und Tierrechte. stehen so nicht gegeneinander, sondern bilden eine sachlogische Einheit innerhalb eines auf Mitgefühl und Respekt ausgerichteten Veganismus.

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