Ich möchte Menschen Mut machen“ – Interview mit Tierschützerin Nancy Holten

Ich möchte Menschen Mut machen“ – Interview mit Tierschützerin Nancy Holten

Wir haben bereits über den Fall von Nancy Holten berichtet, der in der Schweiz die Einbürgerung auf einer Bürgerversammlung wegen ihres Einsatzes für den Tierschutz verweigert wurde. Sie achte die Schweizer Traditionen nicht und solle deshalb den Schweizer Pass nicht erhalten.

Im Interview mit vegan.eu spricht Guido F. Gebauer mit Nancy Holten über ihren Fall, ihre Person, ihren Einsatz für den Tierschutz, den Veganismus und wie es wohl mit ihr in der Schweiz weitergehen wird.

Kannst du dich bitte kurz unseren Lesern und Leserinnen vorstellen?

Ich heiße Nancy Theresia Maria Holten und bin in Rotterdam geboren, direkt in einer Klinik am Hafen. 😉 Dort habe ich noch die Schule besucht bis zur 2. Primarklasse und bin dann mit 8 Jahren mit meiner Mutter und Geschwister in die Schweiz gekommen. Ich bin geschieden und habe 3 Töchter im Alter von 16, 13 und 13. Zur Zeit arbeite ich als freie Journalistin (für Zeitungen), Model und Schauspielschülerin (hier siehst du meine Arbeiten als Model/Schauspielerin).

Und arbeite gerade an meinem ersten Buch, welches dieses, oder nächstes Jahr erscheinen wird. (Meine Aktionen und mein Umgang mit den Reaktionen, dazu noch biographisches Material.)

Soeben hat zum zweiten mal eine Bürgerversammlung deiner Gemeinde Gipf-Oberfrick entschieden, dass du nicht in die Schweiz eingebürgert werden sollst. Was haben die Bürger gegen dich? Hast du bereits von einem ähnlichen Fall gehört oder ist das, was du jetzt erlebt hast, wahrscheinlich einzigartig?

Es gab hier im Kanton Aargau bereits eine Frau, die wurde 4 mal abgelehnt, bis sie endlich vom Regierungsrat eingebürgert wurde.

Aber ich denke, dass mein Fall einzigartig ist. Ein Angestellter in der Gemeinde sagte mir, da ich alle Voraussetzungen erfülle und sogar den Einbürgerungstest mit Bravour und Rekordzeit geschafft habe, bin ich die perfekteste Anwärterin für den Pass, die sie je in der Gemeinde Gipf-Oberfrick hatten.

Die Bürger sahen das aber anders und haben nach Sympathie und Antisympathie entschieden. Da finde ich, hört die direkte Demokratie auf. Nur wenn die Menschen sachlich und möglichst neutral entscheiden können, sollte ihnen so eine Macht gegeben werden. Ich bin dafür, dass Einbürgerungen, wie in der Nachbargemeinde Frick, vom Gemeinderat direkt entschieden wird. Dann hätte ich den Pass schon, dass dieser in Gipf-Oberfrick meine Einbürgerung klar zur Annahme empfohlen hatte. 😉

Man liest auch in den Medien, dass du dich gegen Kuhglocken, Zirkus mit Tieren, Pferderennen und Schweinerennen eingesetzt habest. Was hat du denn gegen die Kuhglocken? Warum sollte es deiner Ansicht nach keine Pferderennen und Schweinerennen geben? Warum gehören Tiere nicht in den Zirkus?

Kuhglocken haben mich schon immer gestört. Ich habe mich einfach gefragt, warum diese sensiblen Tiere solch laute, gesundheitschädigende Glocken anziehen müssen. In eingezäunten Wiesen ist es eh überflüssig und beim Alpauf- und Abtrieb im Frühling und im Herbst, werden Riesenglocken mit ca. 100 Dezibel der Tradition wegen angezogen und die Tiere müssen die schweren Glocken stundenlang den Berg hinauf, oder herab laufen. Das hat nichts mit Tierliebe zu tun und ich kann mir vorstellen, dass manche Kühe Ohr- und Tinnitusschäden davon tragen.

Zirkustiere: Tiere sind erstens NICHT zu unserer Belustigung da. Wir sollten keinen Profit aus ihnen gewinnen. Das ist nichts weit als Sklaverei in meinen Augen. Die Kunststücke werden auch teilweise mit verheerenden Methoden beigebracht. Elefanten z. B. werden z. B. teilweise schon im Ursprungsland "gebrochen". Videos dazu gibt es auch bei der PETA zu sehen. Das Schweinerennen geht in eine ähnliche Richtung. Hier wird die Würde des Tieres untergraben. Durch Essensentzug werden Masttiere für ein paar Tage für die "Olma" (unter anderem große Nutztierausstellung in St. Gallen) so getrimmt, dass sie unter Gejohle und lauter Musik rund um die Arena zu den Fressnäpfen rennen. Es gibt sicher schlimmere Tierschutzthemen. Was mich hier speziell stört, ist, dass die Tiere in einem schönen Stall liegen mit viel Stroh (aber ohne Futter) und die Besucher, vor allem den Kinder, suggeriert wird, dass diese Tiere auch sonst ein sehr glückliches Leben haben.

Wie verarbeitest du die Ablehnung, die dir gegenüber gezeigt wird?

Ich versuche die Beleidigungen, die teils unter der Gürtellinie sind, nicht persönlich zu nehmen. Denn jeder, der andere beleidigt, hat selbst gerade ein Problem. Ein glücklicher Mensch sieht das Gute und umgekehrt. Dieses Bewusstsein hilft mir sehr.

Kannst du etwas zu deinem Engagement für Tierschutz und wie sich dies entwickelt hat, berichten?

Die Resonanz auf meine Aktionen wird immer größer Mein Ziel ist es die Menschen für Tierschutzthemen zu sensibilisieren und das Empathievermögen zu stärken, damit sie bewusster mit Tieren und alles, was mit ihnen verbunden ist, umgehen.

Wie willst du dich künftig für Tierschutz einsetzen?

Ich nütze die sozialen Medien sehr stark. Auf FB folgen mir immer mehr Abonnenten Dort poste ich praktisch täglich. Fotos von veganen Essen, Video mit Tieren und Statements dazu. Nun habe ich auch auf YouTube angefangen Videos zu drehen, bin aber noch am Anfang. Und natürlich mache ich immer wieder Sensiblisierungsaktionen. Ich gehe dorthin, wo es Tierschutzthemen gibt. Messen, Ausstellungen, Zirkusse, etc. und halte dies per Kamera fest, oder lade Reporter ein. Je mehr Menschen von den Aktionen erfahren und darüber reden, desto mehr denken sie darüber nach und ändern auch was.

Wirst du eigentlich von Familie und Freunden unterstützt? Gibt es Menschen, die sich gemeinsam mit dir engagieren oder stehst du eher allein da?

Ich bin eher ein Einzelgänger. Aber ich habe tolle Freunde, Verwandte und Freunde, die mich mental unterstützen.

Wie stehst du selbst zu deinen Mitbürgern in Gipf-Oberfrick? Bist du böse auf Sie, enttäuscht oder traurig? Hast du den Eindruck, du wirst allgemein nicht gemocht oder gibt es auch andere Erfahrungen?

Beides. Die, die mich persönlich kennen und nicht aus den Medien, die sind mir meist gutgesinnt. Ich bin auch eher ein umgänglicher Mensch. Es grüßen mich viele, auch im Café, welches ich regelmäßig besuche. Aber dann gibt es auch die, die mich böse anschauen, wenn ich mit dem Fahrrad vorbeifahre und sogar auf der Straße ansprechen, oder beschimpfen.

Ich bin ihnen nicht böse und versuche nicht zu viel über sie nachzudenken, denn das bringt nichts. Ändern kann ich es sowieso nicht, dass ist ja die freie Meinung. 😉

In den Medien steht, du seist Veganerin, aber Du selbst erklärst auf einem Video bei YouTube, dass du nur zu 98% Veganerin seist. Was hat es damit auf sich?

Ja, dass ist spannend. Vom Gefühl her bin ich Veganerin. Die wenigen Pralinen, die ich noch esse, machen einen winzig kleinen Teil meiner gesamten Ernährung aus. Mir ist es aber wichtig ehrlich zu sein. Ich kenne auch andere, die sich vegan nennen, aber dann zugeben, dass sie im Café z.b.noch Milch nehmen. Dies hat auch mit dem momentan Angebot zu tun. Es wächst, ja, aber es ist halt noch nicht überall vertreten. Den Reportern sage ich dies jedes mal, aber für sie ist die Schlagzeile "Vegan" einfach zu verführerisch. Ziel ist es für mich, dass ich auch nur noch vegane Süßigkeiten esse. Das Problem bei mir persönlich ist, dass ich mir keinen Vorrat kaufen kann, denn der wäre nach einer Stunde Zuhause weg. Ich weiß, dass ist keine Entschuldigung und habe deswegen auch manchmal ein schlechtes Gewissen. Ich möchte aber trotzdem ehrlich sein.

Du sagst selbst auf deinem Video, dass du schon ein schlechtes Gewissen hast, wenn du z. B. eine nicht-vegane Praline isst. Glaubst du, du wirst in der Zukunft womöglich doch auf die nicht-vegane Praline verzichten wollen und können?

Definitiv Ja. Ich denke auch, dass dies bald sein wird.

Meine eigene Erfahrung war, dass mir der Verzicht gelang, als ich mir klar machte, dass ich das nicht will, mir ein eigenes Stopp zurechtlegte und außerdem systematisch Alternativen einplante. Könnte das für dich auch ein Weg sein?

Ja, ich denke darüber nach. Danke für den Tipp 🙂

Bist du eigentlich die einzige Veganerin oder Fast-Veganerin in deinem Ort? Warum glaubst du ist eigentlich für die Mitbürger das Fleischessen derartig selbstverständlich? Sind ihnen die Tiere ganz egal oder verdrängen sie die Situation der Tiere, um sich möglichst selbst nicht ändern zu müssen?

Ich kenne einige Vegetarier hier. Auch eine Fast-Veganerin. Meine Twinstöchter leben vegetarisch, aber ich koche ihnen vegan. Nun, ich denke, dass die meisten einfach nicht dabei nachdenken, wenn sie ihr Fleisch essen, oder ihre Kuhmilch trinken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand extra Fleisch ist, weil es eben getötet wird, sondern bei ihnen steht der Genuss im Vordergrund und das Gefühl, dass sie es (gesundheitlich) brauchen.

Wie wird es jetzt eigentlich mit Deinem Pass weitergehen? Es gab ja auch Aufforderungen an dich, doch „zurück nach Hause“ zu gehen. Könntest du dir vorstellen, die Schweiz zu verlassen?

lach. Das "zurück nach Hause" finde ich sehr ulkig. Am liebsten würde ich dann antworten: "Momentan bin ich noch unterwegs, aber in 2 Stunden bin ich wieder Zuhause."

Nun zum Pass. Ich habe Einspruch beim Regierungsrat eingelegt. In den nächsten Wochen weiß ich, ob sie mich direkt einbürgern. Das wäre schön. 🙂

Hast du Überlegungen, wie du diese ganze Sache und den Medien-Ansturm für die Weiterentwicklung deiner eigenen Person und für die Tiere nutzen könntest?

Sehr schön wäre es, wenn sich einiges im Bewusstsein der Menschen tut, dann hat sich das Ganze schon gelohnt.

Auch ist es nützlich für mein Buch. Das ist eine gute Werbung. Die Essenz davon ist übrigens: "Sei du selbst, gehe deinen Weg und setze dich für das ein, was dir wichtig ist. Dies schenkt dir innere Freiheit und Frieden." Und hoffe damit anderen Menschen Mut machen zu können ihren eigenen Weg zu gehen.

Eine Kleiderlinie würde ich entwickeln mit ökologischem Aspekt. Und gerne würde ich für und mit der PETA in Zukunft eine Werbeaktion zugunsten der Tiere verwirklichen. Ich würde auch gerne Werbung machen z. B. für Lavera. Ich benütze diese Produkte seit vielen Jahren und arbeite ja als Schauspielschülerin und Model, dass macht mir großen Spaß:-)

Weltweit steht es um Tierschutz nicht gut. Haltung und Tötung von Tieren gelten als normal und geschehen in geradezu unvorstellbar hohem Ausmaß. Wie siehst du die Zukunft von Tierschutz und Veganismus?

Die modernen Tierschützer sind hipp, meist achten sie gut auf ihr Äußeres, dass ist hilfreich, sie sind selbstbewusst und sympathisch. Ich denke, dass man so viel mehr Menschen erreicht, weil man dann auch interessant ist. Die Botschaft des Tierschutzes kommt dann fast von selbst an. Siehe Pamela Anderson.

Was glaubst du ist der beste Weg, um den Konsum von Tieren und das damit verbundene Leid beenden zu können? Was kann jeder einzelne dafür tun?

Jeder sollte für sich seinen Weg finden um diese Welt zu unterstützen. Bei der Ernährung angefangen, über die Kleidung. Mit leckerem veganen Essen und Häppchen Verwandte und Freunde überraschen. Über die Lust am Essen kommunizieren und was dieses Essen für Vorteile hat. Wenn man merkt, dass die Menschen offen dafür sind und Fragen stellen, dann auch über die Qualen der Tiere reden. Vorher streckt man sie meist davon ab. Und einfach vorleben.

Wenn Leser gerne deinen weiteren Weg verfolgen oder sich mit dir gemeinsam engagieren möchten, können Sie tun?

Ich bin auf Twitter, Instagram und FB vertreten und wer Interesse hat, wie ich dazu gekommen bin, diesen Weg zu gehen, freue ich mich, wenn Ihr in meinem kommenden Buch stöbert. 🙂

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