Umfrage zu möglichen Diskriminierungen: Veganer stehen mehrheitlich über den Dingen
Obwohl häufig in den Medien über die vegane Ernährung berichtet wird und die Anzahl der vegan lebenden Menschen auch zunimmt, sehen sich Veganer im Alltag immer wieder auch Vorurteilen, Diskriminierungen und Ausgrenzungen ausgesetzt. Die meisten Veganer lassen sich hiervon aber nicht beeindrucken und berichten, durch diese Erfahrungen nicht belastet zu werden. Dies ist in aller Kürze zusammengefasst das Ergebnis einer weiteren Auswertung unserer nach wie vor laufenden Vegan-Umfrage, die vegan.eu zusammen mit Gleichklang.de durchführt.
Bisher haben 1071 vegan lebende Personen im Alter von 16 bis 83 Jahren, unter ihnen ca. 70% Frauen und ca. 30% Männer (sowie eine intersexuelle Person), unsere Fragen beantwortet. Lediglich 7,3% der Befragten gaben an, dass sie noch niemals im Alltag wegen ihrer veganen Lebensweise diskriminiert oder ausgegrenzt worden seien. Demgegenüber berichteten entsprechend mehr als 92% der befragten Veganer, bereits Ausgrenzung oder Diskriminierung erlebt zu haben.
Mit welchen negativen Reaktionen ihres sozialen Umfeldes müssen vegan lebende Personen rechnen?
Am häufigsten beklagt wurden in unserer Umfrage Verspottung (92,1%), der Vorwurf des Extremismus (71,7%) und die Forderung, ein nicht veganes Gericht zu essen (48,5%). Veganismus ins Lächerliche zu ziehen oder als Extremismus zu bezeichnen, stellen insofern besonders häufige negative Verhaltensweisen dar, mit denen nicht-vegan lebende Menschen auf die vegane Lebensweise reagieren können. Seltener berichteten die von uns befragten Veganer über allgemeine Beschimpfungen (24,9%), Vorwürfe des Kindesmissbrauches (19,7%), sowie Kontaktabbrüche oder Ausladungen (17,8%). Vorwürfe des Kindesmissbrauchs sind besonders bitter und beziehen sich auf die fehlgeleitete Annahme, dass es eine Form der Körperverletzung sei, wenn Eltern ihre Kinder vegan ernähren (siehehier und hier). Positiv ist zu bewerten, dass selbst direkt betroffene vegane Eltern, die ihre Kinder tatsächlich vegan ernährten, nur zu 26% über entsprechende Vorwürfe berichteten. Trotz aller reißerischen Medienberichte und Vorbehalte erleben also demnach ca. ¾ der veganen Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, keine direkten verbalen Angriffe durch ihr soziales Umfeld. Dies stimmt mit den positiven Erfahrungen von Ann-Marie Orf im Interview mit vegan.eu überein. Vermutlich suchen sich vegane Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren, ein sie unterstützendes soziales Umfeld und haben sich genug Wissen und Informationen verschafft, um selbstbewusst mit dieser Thematik umgehen zu können.
Nur sehr selten berichteten unsere Befragten übrigens über direkte Bedrohungen (2,1%) oder gar körperliche Angriffe(0,3%) aufgrund ihrer veganen Lebensweise.
Während nach unserer Umfrage nahezu alle vegan lebenden Personen eine oder mehrere negative Reaktionen ihrer Umwelt auf ihre vegane Ernährung bereits erleben mussten, ist die gute Nachricht, dass sich die meisten dadurch offenbar nicht oder höchstens zu einem geringen Grad verunsichern lassen:
59,7% der durch uns befragten Veganer gaben an, dass sie sich durch negative Reaktionen auf ihre vegane Ernährung nicht oder wenig belastet fühlten. Dem stehen allerdings immerhin 22,4% der Befragten gegenüber, die unter den negativen Reaktionen ihrer Umwelt etwas leiden. 9,8% schilderten sogar einen deutlichen und 8% gar einen starken Leidensdruck aufgrund erlebter Diskriminierung und Ausgrenzung.
Gleichklang-Psychologe Dr. Guido F. Gebauer meint, dass der geringe Belastungsgrad der meisten vegan lebenden Personen aufgrund erlebter Diskriminierungen sich wahrscheinlich damit erkläre, dass die Entscheidung für eine vegane Lebensweise bereits den bewussten Bruch mit einem gesellschaftlichen Mehrheitskonsens beinhalte. Wer sich hierfür entscheide, der kalkuliere typischerweise bereits vorher mögliche negative Reaktionen der Umwelt ein und bereite sich auf diese vor. Dadurch entstehe eine Immunisierung, die es den meisten Veganern ermögliche, unter negativen Reaktionen ihrer Umwelt nicht oder nur minimal zu leiden. Dennoch stellten Ausgrenzung und Diskriminierung gegenüber vegan lebenden Personen ein gesellschaftliches Problem sei, welches bei einigen vegan lebenden Personen zu einer nicht unerheblichen oder sogar zu einer starken psychischen Belastung führe. Hierzu trügen vermutlich auch immer wieder zu beobachtende reißerische Presselberichte bei (siehe hier ein besonders gravierendes Beispiel), die über Gesundheitsschäden durch eine vegane Ernährung berichteten, die in Wirklichkeit nicht der veganen Ernährung an sich, sondern offensichtlichen Umsetzungsfehlern anzulasten sei. Gerade unberechtigte Vorwürfe der Schädigung von Kindern aufgrund einer gut geplanten veganen Ernährung, andere Beschimpfungen oder auch der Extremismus-Vorwurf könnten durch eine undifferenzierte Berichterstattung der Medien gefördert werden und bei besonders vulnerablen Menschen zu einer Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens und im schlimmsten Fall einer Schädigung ihrer seelischen Gesundheit führen.
Insgesamt machen die Umfrageergebnisse deutlich, dass trotz des Trends zur veganen Lebensweise und auch oftmals positiver Berichterstattung gesellschaftliche Vorbehalte und Ausgrenzungen vegan lebender Personen und Familien weiterhin fortbestehen. So begrüßenswert es ist, dass sich die Betroffenen hiervon mehrheitlich nicht beeindrucken lassen, so können derartige gesellschaftliche Vorbehalte durch resultierende Mikroaggressionen im Alltag dennoch das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit einzelner betroffener Personen schädigen. Weitere Aufklärung über die Gründe für eine vegane Ernährung und ihre Umsetzungsmöglichkeiten sind erforderlich, um diesem Missstand entgegenzuwirken, Menschen vor Diskriminierung zu schützen und dadurch gleichzeitig die Ausbreitung der veganen Ernährung weiter zu fördern.