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Weg vom Fleisch: Was wirkt?

Weg vom Fleisch: Was wirkt?

In dem Fachjournal Appetite wurde ein interessanter Artikel veröffentlicht unter dem Titel „Strategies to reduce meat consumption: A systematic literature review of
experimental studies“ (Strategien zur Reduzierung des Fleischkonsums: Eine systematische Literaturübersicht zu experimentellen Studien).

Der Artikel beschäftigt sich mit psychologischen Studien, die jeweils konkrete Strategien untersuchten, wie bei einer einzelnen Person eine Fleischreduktion erreicht werden kann.

Der Artikel bezieht sich nicht auf einen Wechsel zur veganen Lebensweise - hierfür gibt es noch keine Studien. Trotzdem ist die Thematik aus veganer Sichtweise relevant:

  • Fleischreduktion schafft das Bewusstsein, dass mit Fleischkonsum Probleme verbunden sind und kann so die Wahrscheinlichkeit für einen späteren Wechsel zur veganen Lebensweise erhöhen
  • gesellschaftliche Fleischreduktion würde sich finanziell ungünstig auf die Nutztierhaltung-Industrie auswirken
  • Strategien zur Fleischreduktion können nicht nur zur Fleischreduktion, sondern ebenfalls für den Wechsel zur veganen Lebensweise angewandt werden

Was wirkt?

Für folgende übergeordnete Strategien legen gemäß der Übersichtsarbeit Wirksamkeits-Belege vor:

Informationsvermittlung

Eine Reihe von Studien haben gezeigt, dass die Vermittlung von Informationen über die negativen Auswirkungen von Fleisch auf Gesundheit, Umwelt und Tierwelt die Intention stärken kann, künftig den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren.

Es liegen ebenfalls Belege dafür vor, dass Informationsvermittlung tatsächlich zu einer Reduktion des Fleischkonsums führen kann.

Dabei zeigen einige Studien, dass die Wirksamkeit von Informationsvermittlung insbesondere dann verstärkt zum Tragen kommt, wenn beispielsweise regelmäßige Erinnerungen an das Thema per Textmessage gesandt werden oder wenn eine Besprechung von möglichen Schwierigkeiten und Komplikationen stattfindet, die einer Fleischreduktion entgegenstehen könnten.

Je besser sich Menschen auf solche möglichen Komplikationen vorbereiten (beispielsweise:  "Ich werde ins Steak-Restaurant eingeladen"), desto eher gelingt ihnen eine Fleischreduktion.

Informationsvermittlung ist also eine wichtige und wirksame Strategie, deren Effektivität jedoch offenbar durch weitere Strategien gefördert werden kann, die die Verhaltenswirksamkeit der reinen Informationsvermittlung erhöhen. Hierzu gehören auch die unten weitere besprochenen Strategien.

Emotionen und kognitive Dissonanz

Intentionen und Verhalten werden durch eine komplexe Interaktion zwischen der gedanklichen Ebene und der Gefühlsebene gesteuert.

Wie wirksam sind Intervention, die insbesondere an der Gefühlsebene ansetzen?

Hierzu liegen eine Reihe von Studien vor, die untersuchten, wie bildlich dargebotenes Material Gefühle und innere Dissonanzen auslösen kann, die die Intention stärken können, den Fleischkonsum zu reduzieren.

Eine typische experimentelle Maßnahme ist es, Bilder von Fleisch-Gerichten mit oder ohne das Bild des entsprechenden Tieres (beispielsweise eines Lammes) darzubieten.

In solchen Studien zeigte sich, dass Menschen weniger geneigt sind, Fleisch zu essen, wenn das Bild des Tieres dargeboten wird, als wenn lediglich Fleisch präsentiert wird.

Zudem zeigten einige Studien ein stärkeres Ekelgefühl gegenüber dem Konsum von Fleisch, wenn deren Präsentation zusammen mit einem Tierbild erfolgte.

Es können auch Textbotschaften mit den Bildern gepaart werden. So führte das Bild einer Kuh mit der Überschrift "auf dem Weg ins Schlachthaus“ zu einer erheblich geringeren Bereitschaft, Fleisch zu essen, als ein reines Diagramm einer Kuh, welches die jeweiligen Fleischsorten erläuterte.

Insgesamt zeigen diese Studien, dass Strategien, die die Koppelung des Fleisches an das jeweilige Tier ins Bewusstsein rufen, wirksame Strategien sind, um Fleischreduktion zu fördern.

Erzeugt werden dabei Gefühle von Mitleid, aber auch von Ekel und kognitive Dissonanzen, die die Intention, kein oder weniger Fleisch zu essen, aktivieren können.

Ziele und Intentionen verankern

Reine Informationsvermittlung oder Erzeugung von Emotionen sind wirksame Strategien, aber was kann darüber hinaus getan werden, um Verhaltensänderungen zu erreichen?

Hierzu zeigte eine Studie, dass über Informationsvermittlung und emotionale Appelle hinausgehend, die Herausarbeitung von konkreten Zielen und Intentionen wirksam ist. Probanden wurden aufgefordert, konkrete, auf ihren alltagsbezogene „wenn-dann-Sätze“ zu formulieren, die dem Ziel der Fleischreduktion dienen sollten (Beispiel: "wenn ich morgen die Cafeteria an der Universität besuche, bestelle ich ein fleischfreies Gericht").

Eine nachfolgende Beobachtung des Konsumverhaltens zeigte, dass diejenigen, die aufgefordert wurden, solche konkreten Intentionen zu formulieren, weniger Fleisch aßen als diejenigen, bei denen diese Aufforderung unterblieb.

Wir sollten demnach nicht bei der Informationsvermittlung und auch nicht bei emotionalen Appellen stehen bleiben, sondern zusätzlich Menschen gezielt dabei unterstützen, Intentionen für einen Fleischverzicht herauszuarbeiten, die konkrete Bezüge zu ihrem Alltag aufweisen und dadurch leicht anwendbar sind.

Soziale Normen vermitteln

Soziale Normen kennzeichnen sich dadurch, dass ein Verhalten als durch eine relevante soziale Bezugsgruppe gewünscht oder unerwünscht betrachtet wird.

In einer Serie von Experimenten wurde versucht, eine neue soziale Norm zur Fleischreduktion bei den Teilnehmern zu begründen. Teilnehmer wurden beispielsweise mit folgender Aussage konfrontiert:

  • "30 % der Amerikaner haben bereits jetzt damit begonnen, ihren Fleischkonsum zu reduzieren“

Durch den Bezug auf eine für die Teilnehmer relevante soziale Bezugsgruppe sollte hier eine neue soziale Norm verankert werden.

Tatsächlich zeigte sich, dass diese Aussage wirksam war, um eine Instruktion zu stärken, den Fleischkonsum zu reduzieren, oder auch, um in einem Café von der Bestellung eines Fleischgerichts Abstand zu nehmen.

Dabei war die oben zitierte Aussage deutlich wirksamer als folgende alternative Aussage:

  • "30 % der Amerikaner bemühen sich, ihren Fleischkonsum zu reduzieren"

Offenbar gelingt es besonders gut, mit eher fluiden, Veränderungen betonenden und gleichzeitig bereits einen gewissen Erfol implizierenden Aussagen handlungswirksame soziale Normen zu etablieren .

Genau diesem Muster entspricht die erste Aussage, die darlegt, dass Menschen sich verändern und mit dieser Veränderung auch bereits begonnen haben. Demgegenüber ist die zweite Aussage statisch und spricht lediglich von einer Bemühung.

Personen, die aktuell Fleisch essen, dürften insofern am ehesten erreichbar sein durch normbegründende Aussagen, die die Möglichkeit zur Veränderung und den bereits beginnenden Veränderungsprozess in einer für sie relevanten sozialen Bezugsgruppe betonen.

So mag beispielsweise für eine Feministin, die sich für eine internationale Solidarisierung von Frauen einsetzt, folgende Aussage besonders wirksam sein:

  • "Gerade Feministinnen beginnen jetzt weltweit, ihren Fleischkonsum zu reduzieren"

Umgebungs-Gestaltung

Eine Studie zeigte, dass ein fleischfreies Gericht öfter bestellt wurde, wenn es im Menü als Standard-Mahlzeit markiert war, als wenn umgekehrt eine Fleischmahlzeit als Standard-Gericht markiert war.

Die Gestaltung von Umgebungen, in denen gegessen wird, wirkt sich also auf die Wahrscheinlichkeit aus, dass Fleisch gegessen wird oder nicht. Insofern ist es eine wichtige Strategie, sich dafür einzusetzen, dass Ess-Umgebungen möglichst so gestaltet werden, dass sie Fleischverzicht fördern.

In diesem Bereich ist die veganer Community auch weltweit sehr aktiv. In Portugal sind alle staatlichen Einrichtungen bereits verpflichtet, mindestens eine vegane Mahlzeit bereitzustellen. Ebenso gibt es Aktionen für vegane Mensen.

Weltweit setzen sich vegan lebende Menschen dafür ein, dass in Cafeterien und Restaurants vegane Mahlzeiten angeboten werden.

Je stärker dabei durch die Gestaltung der Ess-Umgebung die vegane Mahlzeit als Standard präsentiert werden kann, desto eher wird auf sie zurückgegriffen werden.

Was tun?

Was können wir also als Einzelmensch und als Community tun, um tatsächlich zu einer Ausbreitung der veganen Lebensweise beizutragen?

Ich denke, die oben kurz zusammengefassten Studienergebnisse geben uns hierfür wichtige und gut umsetzbare Anleitungen, auch wenn die Studien sich nicht auf die vegane Lebensweise, sondern lediglich auf Fleischreduktion bezogen.

  • die Präsentation von Bildern lebender Tiere in Fleischereien, Restaurants und an allen anderen Orten, wo Fleischesser erreicht werden, ist eine wirksame Strategie, um kognitive Dissonanz und Gefühle zu erzeugen, die eine Beendigung des Fleischkonsums fördern können. Diese Strategie wird weltweit angewandt. Die vielfältigen Aktionen von directactioneverywhere.com sind hierfür nur ein Beispiel.
  • ebenso wichtig sind fundierte Informationen über die Zusammenhänge zwischen Fleischkonsum, Umweltzerstörung, Tierleid und den modernen Zivilisationskrankheiten.
  • entscheidend ist bei dieser Informationsvermittlung, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, und gemeinsam mit ihnen, konkrete Intentionen herauszuarbeiten, um eine Verhaltensänderung tatsächlich zu erreichen. Erinnerungen, Einladungen und aktive Unterstützungsleistungen (z. B. Koch- oder Einkaufshilfe) können die Wirksamkeit von Informationen verstärken. Jedwede Hilfestellung, vegan zu leben, zu kochen und einzukaufen, ist hilfreich.
  • Botschaften sollten zudem darauf ausgerichtet sein, eine vegane Norm zu verankern. Solche Botschaften können sich zielgruppenabhängig unterscheiden. Für diejenigen, die bereits eine Sensitivität für sozial-ökologische und tierweltbezogene Fragen aufweisen, könnte folgende Botschaft wirksam sein: "Menschen, die über die Folgen ihres Handelns für die Umwelt, die Menschen  und die Tiere nachdenken, beginnen weltweit, vegan zu leben“. "Mehr und mehr Schlachter wenden sich von ihrer Tätigkeit ab und setzen sich stattdessen für Nahrung ohne Tierleid ein“ - mit so einer Aussage können auch Menschen erreichbar werden, die aktuell aufgrund ihrer Tätigkeit und Lebensgestaltung wenig erreichbar erscheinen.
  • die vegane Community wendet bereits viel Zeit und Energie darauf auf, vegan-freundliche Umwelten zu erschaffen: Kampagnen für die Bereitstellung veganer Mahlzeiten, auch in Gefängnissen, Krankenhäusern, Altenheimen, sowie Kampagnen für rein vegane Cafeterien und Mensen sind Ausdruck dieses Engagements
  • im privaten Bereich kann zur Schaffung veganer Umgebungen gehören, für Gäste ausschließlich vegan zu kochen und gemeinsam mit nicht-veganen Freunden oder Bekannten ausschließlich vegan essen zu gehen. Denn solche Maßnahmen tragen dazu bei, die vegane Lebensweise sozusagen in den Augen der Nicht-Veganer zu normalisieren und sie als Default-Ernährung zu verankern
  • in diesen Strategie-Bereich gehört ebenfalls die Bekanntmachung veganer Alternativen zu Tierprodukten und die Unterstützung der Produzenten und Verteiler dieser Produkte durch die gesamte vegane Community

Grundsätzlich ist es ratsam, wenn sich die vegane Community bei allen von ihr ausgehenden Maßnahmen darum bemüht, so gut als möglich alle wirksamen Strategien miteinander zu vereinen und so eine möglichst maximierte Gesamtwirksamkeit zu erzielen.

Wir sollten also nie beispielsweise bei reiner Informationsvermittlung oder reinem Appell an Gefühle stehen bleiben, sondern alle Gelegenheiten ebenfalls dazu nutzen, mit unseren Kommunikationspartnern praktikable Ziele und Intentionen so konkret wie möglich herauszuarbeiten, ihnen eine vegane, auf Empathie bezogene Norm ans Herzen zu legen, sowie Ess-Umgebungen zu schaffen, die die vegane Lebensweise anregen und vereinfachen können.

Ist das Missionierung?

Als aus ethischen Gründen vegan lebende Personen liegt uns die Verbreitung und Ausbreitung der veganen Lebensweise am Herzen.

In Anbetracht der dramatischen negativen Auswirkungen der Nutztierhaltung auf Biodiversität, Klima, Gesundheit und Tierleid erleben viele vegan lebende Personen den Einsatz für die vegane Lebensweise als ein wesentliches sinnstiftendes Motiv ihres eigenen Lebens.

Nicht-Veganer erheben oftmals gegenüber vegan lebenden Menschen den Vorwurf, diese würden missionieren. Hintergrund dieser Annahme ist die Einstellung, dass jeder frei entscheiden solle, was er essen möge oder nicht. Essen sei Geschmackssache.

So sehr diese Einstellung unter Nicht-Veganern auch verbreitet sein mag, so wenig berücksichtigt sie die Grundlagen der veganen Lebensweise und die Gründe, warum die meisten Menschen zu dieser wechseln.

Während es einzelne vegan lebende Menschen gibt, die sich ausschließlich vegan ernähren aus Gründen der Fitness, der Ästhetik oder der Gesundheit, will doch die große Mehrheit vegan lebender Menschen mit ihrer Lebensweise dazu beitragen, vermeidbares Tierleid zu beenden und die natürlichen Lebensgrundlagen unseres Planeten zu schützen.

Für beide Ziele leistet die vegane Lebensweise einen maßgeblichen Beitrag, der aber erst dann substantiell zum Ausdruck kommen kann, wenn die vegane Lebensweise nicht nur von einer kleinen Minderheit, sondern von einer Mehrheit oder möglichst von allen Menschen praktiziert wird.

Ein solcher weltweiter Wechsel zur veganen Lebensweise könnte den Klimawandel aufhalten, die Biodiversität erhöhen, Tierleid beenden und Millionen Menschenleben retten, wie wissenschaftliche Studien zeigen.

Um ihre Ziele zu erreichen, müssen vegan lebende Menschen insofern versuchen, andere Menschen für die vegane Lebensweise zu gewinnen. Wenn man dies Mission nennen möchte, spricht nichts gegen diesen Begriff.

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