Sind vegane Männer “unmännlich”?

Sind vegane Männer “unmännlich”?

Eine aktuelle psychologische Studie zeigt, dass sich vegan ernährende Männer im Vergleich zu Männern, die sich omnivor ernähren, von omnivoren Beobachtern als weniger "maskulin" wahrgenommen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn die vegane Ernährung frei gewählt wurde, nicht wenn sie jemanden aus gesundheitlichen Gründen „aufgezwungen“ wurde. In der Studie wurde das Ernährungsverhalten fiktiver Personen beschrieben und es erfolgte danach eine Einschätzung der Maskulinität. Die beschriebenen Personen unterschieden sich dabei ausschließlich im Ernährungsverhalten und in dessen Freiwilligkeit.

Deutlich wird, dass nach wie vor Geschlechtsrollenstereotypen und -erwartungen maßgeblich mit dem Ernährungsverhalten verbunden sind. Dies spiegelt sich auch übrigens darin wieder, dass die große Mehrheit vegan lebender Personen, ca. drei von vier, Frauen sind. Zudem ist bei Fleischessern der Konsum von Fleisch in der Regel bei Männern höher als bei Frauen. Männer scheinen insofern nach wie vor recht häufig einem Geschlechtsrollen-Stereotyp zu entsprechen, gemäß dessen das Essen von Tierfleisch für ihr Selbstbild als Mann wesentlich sei.

Wie kann mit solchen Geschlechtsstereotypen aus veganer Perspektive umgegangen werden?

Ein Ansatz wird von Attila Hildmann vertreten, der mit einem Youtube-Yuftritt unter der Bezeichnung Vegangster versucht, die vegane Ernährung mit einem „hypermaskulinen“ Gangsterimage zu verbinden, von dem er offenbar meint, dass es gesellschaftlich als cool und anziehend wahrgenommen werde. Der Ansatz ist mit der Erwartung verbunden, die Attraktivität der veganen Ernährung und auch von Attilla ließe sich durch ihre dezidierte Assoziation mit dem Bild des männlichen Gangsters steigern, wobei ein maßgeblicher Erwartungsfaktor sicherlich der Aufmerksamkeitsgewinn ist. Allerdings erhält Attila hierfür wenig Unterstützung in der veganen Community, die sich im Gegenteil über den Versuch, eine „hypermaskuline“ und sexistisch verzerrte Version der veganen Lebensweise zu präsentieren (berechtigt) empört. Außerdem sind für Hildmann eher geringe Klickraten auf den Youtube-Videos zu verzeichnen. Selbst im Aufmerksamkeitsbereich scheint der Vegangsta-Versuch zu scheitern.

In eine ähnliche Kategorie sind übrigens Versuche einzuordnen, die die vegane Lebensweise als besonders potenzfördernd darstellen, an denen sich neben PETA auch erneut Attila mit dem Spruch „Vegan ist das neue Viagra“beteiligt. Empirische Hinweise für eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit durch eine vegane Lebensweise liegen bisher nicht vor, wobei es aber durchaus möglich, jedoch bisher nicht belegt ist, dass eine vegane Ernährung durch die Reduktion von Übergewicht und Diabetes krankheitsbedingten Erektionsstörungen tatsächlich entgegenwirken mag.

Ein dritter Versuch besteht darin, sportliche Spitzenleistungen von vegan lebenden Personen in den Vordergrund zu stellen. Dieser Ansatz bezieht sich aber nicht ausschließlich oder vorwiegend auf Männer und es geht ihm nicht um die Verbreitung des Bildes des maskulinen Veganers, sondern um die Widerlegung des Mythos, dass eine vegane Ernährung schwäche und damit sportlichen Leistungen im Wege stehe. Entsprechend wird die mögliche Erzielung von sportlichen Spitzenleistungen in der veganen Community gerne aufgegriffen, wenn es darum geht, fehlerhafte Annahmen von Omnivoren oder auch Vegetariern zu einer angeblich schwächenden und damit offensichtlich ungesunden veganen Ernährung zu widerlegen.

Aufgrund ihres emanzipatorischen Charakters, der Vorurteile in Frage stellt und sich gegen alle Unterdrückungsformen wendet, ist es nach unserer Einschätzung mit dem Veganismus unvereinbar, dem omnivoren Bild des wenig "maskulinen" Veganers durch die Postulierung des Gegenteils entgegenwirken zu wollen. Vielmehr kann es aus veganer Sichtweise nur darum gehen, Geschlechts-Steretypien durch den Fokus auf das Individuum und seine Entfaltungsrechte zu korrigieren und sich für die Befreiung aller Menschen von einer primitiven, geschlechtsbezogenen Assoziation mit Fleischkonsum oder anderen Äußerlichkeiten und Merkmalen einzusetzen.

Insgesamt nehmen rigide Geschlechtsrollen-Erwartungen ab und es entwickeln sich zunehmend individualisierte Lebensformen. Die Assoziation der veganen Ernährung mit reduzierter "Maskulinität" kann insofern positiv aufgegriffen werden:

Omnivoren nehmen offenbar wahr, dass der Veganismus Individualität und Solidarität in den Vordergrund stellt, weshalb seine Vertreter mit einem auf Kampf und Zur-Schau-Stellung von Macht orientierten "maskulinen" Geschlechtsrollen-Stereotyp nichts zu tun haben wollen.

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