Carsten Otte: Eine unaufgeklärte Glosse zum Veganismus

Carsten Otte: Eine unaufgeklärte Glosse zum Veganismus

In Focus-Online vermutet Autor Carsten Otte lustfeindliche Feministen hinter der Aufforderung zum Fleischverzicht. Der Titel seiner Glosse lautet entsprechend: "Wider den neuen Vegan-Feminismus - Männer, esst mehr vom Tier!" Das vegane Weltbild werde zum Maßstab eines autoritären Weltbildes erhoben. Die radikalen Verteidiger der Tierrechte setzten auf Pathos, was Mitgefühl erzeuge.

In diesem eigenen Pathos setzt Carsten Otte dann freilich seine Glosse fort. Die wenigen Fakten, die er dabei meint, als solche zu benennen, verweisen auf vor allem auf eine geringe Faktenkenntnis.

Der antiveganen Glosse des Autors lässt sich am besten mit einer nüchternen Richtigstellung begegnen:

- Es stimmt, dass Männer mehr und öfter Fleisch essen als Frauen. Es stimmt ebenfalls, dass Fleisch selbst bei seinen eigenen Protagonisten mit Macho-Werten von Gewalt, Durchsetzung und Rücksichtslosigkeit assoziiert ist. Mit Lustfeindlichkeit hat dies nichts zu tun, es sei denn Gewalt wird mit Lust gleichgesetzt. Diese Gleichung gilt aber nur für Sadisten und zwar lediglich für echte, nicht also für diejenigen, die nur spielerische Formen von BDSM betreiben. Wer sich jenseits von Pathos und auf der Basis empirischer Fakten mit den Zusammenhängen von Fleisch, Frauenverachtung, Männerverachtung und roher Gewalt auseinandersetzen möchte, findet unter dem Tag Feminismus hierzu Artikel bei vegan.eu. Interessant ist aber auch der Tag Umfragen. Denn hier wird deutlich, dass sogar die Fleischesser selbst das Objekt ihres Konsums durchaus als Resultat eines Gewaltprozesses begreifen.

- Der Veganismus steht für eine Gesellschaft, in der Leid und Gewalt abgebaut werden soll. Der Veganismus ist eng verbunden nicht nur mit Tierrechten, sondern ebenfalls mit dem Einsatz für Menschenrechte. Der Veganismus nimmt die Sichtweise der Mehrheitsgesellschaft und ihre Gewohnheiten nicht unreflektiert an, sondern hinterfragt sie, erkennt Veränderungsnotwendigkeiten und geht mit praktischem Beispiel voran. Demgegenüber laufen die Fleischesser Traditionen und Gewohnheiten hinterher, die auf längst überholten Vorstellungen und auf Autoritäten beruhen, die wie im Märchen der Kaiser ohne Kleider in Wirklichkeit nackt sind.

- Carsten Otte stellt sich die Fragen, ob Veganer Ureinwohnern irgendwo auf der Welt den Krieg erklären würden, weil sie Katzen und Hunde verspeisen? Und was sei mit den vielen Religionen, in denen dem Fleischkonsum eine rituelle Bedeutung zukomme? Sollten weltweit Milliarden Menschen missioniert werden? Es bleibt unklar, welche Ureinwohner Carsten Otte meint. In den Ländern, wo ein Teil der Bevölkerung Katze und Hunde isst, gibt es übrigens unter der eigenen Bevölkerung Protest hiergegen. Veganer machen aber keinen Unterschied zwischen Katzen und Hunden sowie Kühen und Schweinen. Sie verweigern sich einer unbegründeten Ideologe, die die einen Tiere zum Liebhaben und die anderen zum Essen nimmt. Für westliche Überlegenheitsgefühle gibt es, was die Grausamkeit gegen Tiere betrifft, wahrlich keinen Anlass. Veganer wollen im Übrigen auch keine Kriege führen, sondern die Ursachen der Gewalttätigkeit überwinden, einer Gewalttätigkeit, die durch das Quälen und Töten von Tieren gefördert wird und auch auf den Umgang mit dem Menschen generalisiert. Richtig ist, dass vegan lebende Menschen heute eine kleine Minderheit sind, die sich einer überwältigenden Mehrheit von Menschen gegenüber sehen, die das Schlachten und Essen von Tieren für legitim halten. Leid, was Tieren zugefügt wird, ist demnach kein oder höchstens ein sekundäres Problem. Diesen Carnismus möchte der Veganismus durch die Überzeugungskraft der Fakten und das eigene Beispiel überwinden. Nach der Logik des Carsten Otte hätten Menschen demgegenüber niemals aufhören sollen, Sklaven zu halten, weil dies in den Anfängen eine marginalisierte Minderheitsposition war, der eine enorme Mehrheit von Menschen gegenüber stand, die es erst zu überzeugen galt. Carsten Otte merkt es nicht, aber er verharrttt in einem kleinkarierten und autoritären Weltbild, gemäß dessen weltweite gesellschaftliche Veränderungen ausgeschlossen scheinen, obwohl sie geschichtlich doch wieder und wieder stattgefunden haben.

- Carsten Otte setzt seine groteske Glosse mit immer groteskeren Frage fort: „Was sagt man Leuten, die in Afrika verhungerten, wenn sie keine Eier äßen? … Und welche Nahrungsmittelengpässe und Umweltkatastrophen ergäben sich, wenn die Weltbevölkerung keine tierischen Proteine mehr zu sich nähme? Müssten, dürften oder sollten Menschen sterben, wenn alle Tiere „befreit“ würden?“ Hier fehlt basales Wissen. Denn ganz entgegen der Annahmen von Carsten Otte zeigen alle wissenschaftlichen Untersuchungen, dass die weltweite Ernährungssicherheit am besten durch eine pflanzliche Ernährung gewährleistet werden kann. Fleischkonsum fördert den Welthunger, auch in Afrika. Durch Klick auf den Tag „Hunger“ können die in vegan.eu Artikeln hierzu benannten Fakten und Quellen eingesehen werden. Unter dem Tag Umweltschutz ist die ökologische Seite nachlesbar. Es sei hier nur kurz folgendes zusammenfassend referiert: Vegane Lebensmittel, wie Getreide oder Sojabohnen, sind mit sehr viel weniger Energieeinsatz, Ressourcen und Umweltbelastung erzeugbar als Fleisch, Milch oder Eier. Sie sind zudem sehr viel besser lagerbar, oftmals viele Jahre und ungekühlt. Nicht Fleischspeicher, sondern Getreidespeicher haben seit Urzeiten Hungernöte verhindern können. Dass diese Getreidespeicher nicht in den betroffenen Ländern in Afrika und überall auf der Welt im Rahmen einer internationalen Solidarität angelegt werden, ist der eigentliche Skandal. Stattdessen werden Getreide und Hülsenfrüchte aus Ländern abgezogen, wo die Menschen zu wenig zu essen haben. Geliefert werden sie an die reichen Länder zur Verfütterung an deren Kühe und Schweine, die ihrerseits leidbesetzt Leben und leidbesetzt sterben müssen, um ihnen das Fleisch für den Verzehr zu entreißen. Pflanzliche Lebensmittel sind außerdem leichter transportierbar und entsprechend einfacher verteilbar. Studien zeigen eindeutig: Eine nachhaltige und ausreichende Welternährung ist auf der Basis eine pflanzenbasierten Ernährung selbst bei steigender Weltbevölkerung möglich, während die derzeitige Welternährung unter Einschluss tierischer Produkte bereits jetzt nicht mehr nachhaltig ist und Unterernährung und Hunger fördert.

- Carsten Otte setzt seine Glosse fort mit der Behauptung, wenn man die Forderungen nach einem vegetarischen oder veganen Leben ernst nähme, ergäben sich sehr widersprüchliche Argumentationslagen. Allerdings verpasst es Carsten Otte, aufzuzeigen, welche Widersprüche dies denn sein sollen, es sei denn, er möchte bei seiner Fehlannahme bleiben, Fleischkonsum reduziere den Welthunger.

- Fremdeinschätzung und Selbsteinschätzung weichen beim Menschen nicht selten voneinander ab. Dies gilt auch für Carsten Otte, der sich nach all den durch ihn dargestellten Unaufgeklärtheiten dennoch als einen aufgeklärten Carnivoren betrachtet. Denn er zwinge niemanden die Hühnersuppe auf, wolle sich aber auch die regressiven Pöbeleien der veganen Front nicht länger gefallen lassen. Hier verkennt Carsten Otte komplett, was die Gründe für Fleischkonsum und für eine vegane Ernährung sind. Die Gründe für Fleischkonsum sind Geschmack“, „Bequemlichkeit“ und „Gewohnheit“. Der Hauptgrund für eine vegane Ernährung ist aber ethischer Art, nämlich die Forderung, dass für den eigenen Genuss nicht andere leiden sollten, weder Menschen noch Tiere. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Warum sollte man also auch nur den Versuch unternehmen, jemanden dazu zu bringen, eine Hühnersuppe zu essen, obwohl er oder sie keine Hühnersuppe mag? Die selbstverständliche Unterlassung dieses unsinnigen Versuchs verwechselt Carsten Otte mit einer aufgeklärten Haltung. Umgekehrt möchten Veganer nicht, dass Hühnersuppe gegessen wird, weil sie aus empathisch-moralischen Gründen nicht möchten, dass Vögel hierfür leiden und sterben müssen, die begrenzten Ressourcen unserer Erde vergeudet werden und dem Welthunger Vorschub geleistet wird. Hierüber klären Veganer auf, auch wenn diese Ausklärung Carsten Otte bisher nicht erreichte.

- Das Ende der Glosse des Carsten Otte ist keiner detaillierten Erwähnung wert. Er bezeichnet sich als „gastrosexuell“ und spricht von Köstlichkeiten, wie Hahnenkamm-Salat, Kalbskopfchips oder Lammlebergrütze. Wieder betont er seine Liberalität, weil er niemanden solche Gerichte aufzwinge ohne sich mit dem Leid und der Gewalt auch nur auseinanderzusetzen, was mit diesen Gerichten, wie mit jedem Fleischkonsum, verbunden ist. Augen zu, Ohren zu, Verstand und Mitgefühl aus.

Gesamtbewertung

Insgesamt macht die Durchsicht von Presselberichten immer wieder deutlich, wie groß noch die Aufklärungsdefizite sind, die der Veganismus erst zu überwinden hat. Eine friedfertige, vegane Gesellschaft ist erst in ihren allerersten Keimzügen in einem Ozean von Unwissen, Gewalt und Grausamkeit wie auch von deren Verleugnung erkennbar. Hierfür ist die Glosse von Carsten nur ein Beispiel unter vielen, wenn auch ein besonders extremes.

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