Power to the Bauer? Eine vegane Sichtweise

Am Samstag, den 18. Januar 2014, demonstrierten, aufgerufen durch das Bündnis “Wir haben es satt!”, mehr als 30000 Menschen in Berlin gegen Massentierhaltung und Gentechnik. Die Demonstration wendete sich gegen eine Agrarindustrie, die mit Massentierhaltung, Gentechnik und der Zerstörung kleinbäuerlicher Strukturen weltweitdie Lebensmittelproduktion zunehmend prägt. Dem setzten die Demonstranten die immer wieder skandierte Losung entgegen „Power to the Bauer!“.
Wie ist die vegane Sichtweise zu dieser Demonstration?
Zunächst einmal verfolgen vegan lebende Menschen und diejenigen, die in Berlin gegen die Massentierhaltung demonstrierten, ähnliche Ziele. Tierschutz, Umweltschutz und die Beseitigung des weltweiten Hungers sind Themen, die den Demonstranten in Berlin ebenso wie dem Veganismus am Herzen liegen. Entsprechend beteiligten sich auch viele Veganer an der Berliner Demonstration.
Bei aller Zielgemeinsamkeit gibt es jedoch ebenfalls grundlegende Differenzen zwischen der Sichtweise des Veranstalterbündnisses „Wir haben es satt!“, den skandierten Losungen der Demonstranten und der Position des Veganismus:
- Veganer streben eine Welt an, in der das Tier nicht für die Lebensmittelproduktion instrumentalisiert wird, sondern ihm ein Recht auf ein nicht durch den Menschen durch Leid oder Tötung beeinträchtigtes Leben zugesprochen wird. In einer veganen Welt werden Menschen sich bemühen, Tieren alles Leid zu ersparen, welches irgendwie vermeidbar ist. Nicht vermeidbar ist es, dass Tiere erkranken und sterben, dass sie von anderen Tieren verwundet oder getötet werden, dass unzählige Insekten durch den menschlichen Verkehr getötet werden, dass sie von uns unbeabsichtigt zertreten werden. Vermeidbar ist es aber, dass wir Tiere bewusst halten und töten, um sie zu essen oder ihnen Körperflüssigkeiten, wie Milch, oder Menstruationsprodukte, wie Eier, zu entnehmen. Die Demonstranten in Berlin streben eine solche Welt ohne Tierausbeutung, für die Veganer eintreten, mehrheitlich nicht an, jedenfalls sagen und fordern sie es nicht.
-Veganer können die Losung „Power to the Bauer“ nicht mitskandieren. Veganer stehen für eine bio-vegane Landwirtschaft, die dazu geeignet ist, die menschliche Ernährung auf umweltfreundliche und tierfreundliche Art und Weise zu sichern. Bauern – egal, ob Klein- oder Großbauern – die Nutztiere halten und ihre Körper als Basis für die Lebensmittelproduktion gebrauchen, verdienen demgegenüber aus veganer Sichtweise keine Unterstützung.
-Die Demonstranten in Berlin idealisieren kleinbäuerliche Tierhaltungs-Strukturen. In Wirklichkeit gibt es keine tierfreundliche Schlachtung. Keine Tötungs- und Betäubungsmethode ist gemäß vorliegender wissenschaftlicher Befunde zu 100% im Einzelfall funktionstüchtig und enormes Leid von Einzeltieren wird immer in Kauf genommen, wenn Tötungen stattfinden (siehe hier und hier). Zudem ist gerade in kleineren Schlachteinheiten die Betäubungssicherheit aufgrund nicht-maschineller Führung der Schlachtinstrumente geringer, so dass dort also noch häufiger als in großen Einheiten Tiere bei vollem Bewusstsein und mit maximalen Schmerzen getötet werden. Umgekehrt sind die größeren Einheiten mit längeren Transportwegen verbunden. Beide Anlagen sind leidbesetzt. Stress und Angst vor Schlachtung, auch bei kurzen Transportwegen, sind nicht vermeidbar. Ebenso wenig ist der Abschuss auf der Weide eine Lösung, da hier Defizite in der Treffsicherheit großes Leid erzeugen können. Menschliches Versagen ist tatsächlich überall der häufigste Faktor für Unfälle und Katastrophen, dies gilt für den Flugverkehr ebenso wie für die Betreibung von Schlachtanlagen oder andere Tötungsformen. Menschen sind fehlerhaft und das Auftreten von menschlichem Versagen ist niemals vermeidbar. Wenn die Demonstranten in Berlin also für kleinbäuerliche Tierhaltungsstrukturen einstehen, nehmen sie das daraus resultierende Leid in Kauf. Veganer tun dies nicht.
- Letztlich geht ein jedenfalls nicht geringer Teil der Demonstranten in Berlin dem geschickten Marketing-Konzept der „glücklichen Hühner“, „glücklichen Kühe“ etc. auf den Leim, von welchem in Wirklichkeit bekannt ist, dass es nicht der Wirklichkeit entspricht und dieser auch nicht entsprechen kann. Von den betäubungslos zermusten Bio-Kükenüber die ständig erforderlichen Schwangerschaften der Milchkühe und die Tötung ihrer Kinder, sowie die komplette Kontrolle und Einschränkung des Soziallebens der Tiere ist jede Form von Nutztierhaltung mit Tierleid verbunden. Veganer lehnen die Instrumentalisierung tierischen Lebens für die Lebensmittelproduktion ab, die Demonstranten in Berlin stimmen ihr mehrheitlich zu.
-„Power to the Bauer“ verbreitet den Eindruck, als ob die Nutztierhaltung in kleinbäuerlichen Strukturen ökologisch verträglicher wäre als die Nutztierhaltung in der Massentierhaltung. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass dies ein Irrtum ist, da wesentliche Faktoren, wie der Landverbrauch, ausgeblendet werden. Bereits jetzt dient ein Drittel der nicht durch Eis oder Wasser bedeckten Erdoberfläche der landwirtschaftlichen Produktion, wovon 70% für die Nutztierhaltung verwandt werden. Würde alle Nutztierhaltung nur noch in kleinbäuerlichen Strukturen und mit Weidehaltung stattfinden, müsste – selbst bei drastischer Reduktion des Fleischkonsums – jeder Fleck der Erde hierdurch besetzt werden und es gäbe keiner Wälder oder Moore mehr. Auch sind Weiden, entgegen teilweise getätigter Behauptungen, keine Biotope, sondern sie verdrängen Wälder und andere Vegetation, die beispielsweise bei weitem mehr CO2 binden. Tatsächlich schneidet die Weidehaltung in vielen Parametern, von den Auswirkungen auf den Treibhauseffekt, der Entwaldung und Landerosion oder auch des Wasserverbrauches sogar ungünstiger ab als die Massentierhaltung (siehe hier). Nutztierhaltung an sich ist einer der weltweit treibenden Faktoren der Umweltzerstörung (siehe hier, hier, hier, hier), wobei sowohl die Massentierhaltung als auch die Haltung in kleinbäuerlichen Strukturen zu dieser Umweltzerstörung führt.Eine vegane Lebensweise ist demgegenüber die umweltverträglichste Form menschlicher Lebensgestaltung (siehe hier). Zudem ist anzumerken, dass in Wirklichkeit beispielsweise die Bio-Hühner-Haltung zur Eierproduktion Massentierhaltung ist. Lediglich die Größe der gehaltenen Maßen ist etwas geringer als in der Nicht-Bio-Haltung.
-Die Demonstranten in Berlin möchten den Hunger beseitigen, wählen hier aber aus veganer Sichtweise den falschen Weg. Jedes Tier benötigt zur Erhaltung seiner Lebensfunktionen weitaus mehr Energie und Nahrung als es für die „Produktion“ von Fleisch, Eiern und Milch liefern kann. Dies gilt ebenso für ein Tier in der Massentierhaltung wie für eine Kuh auf der Weide. Jede menschliche Ernährung auf der Basis von Tierprodukten ist damit eine Ressourcenvergeudung, die mit dazu beiträgt, dass zwei Milliarden Menschen auf der Welt hungern. Demgegenüber würde eine Ausrichtung der menschlichen Ernährung auf Pflanzen nicht nur eine enorme Ressourcenschonung bei der Produktion bedingen, sondern ebenfalls bei Transport und Verteilung, da pflanzliche Produkt im Durchschnitt sehr viel länger haltbar, besser transportierbar sind und oft keiner Kühlung bedürfen. Den Beitrag zur Überwindung des Hungers, der aus veganer Sichtweise möglich und nötig ist, ist somit nicht vorrangig der Wechsel zu kleinbäuerlichen Strukturen, sondern der Wechsel zu einer vegane Ernährung und der damit verbundenen Ausstieg aus jeder Form der Nutztierhaltung. Eine vegane Ernährung der Weltbevölkerung wäre am ehesten geeignet, den Hunger auf der Welt endlich zu beseitigen (siehe hier).
In Anbetracht dieser tiefgreifenden Differenzen zwischen den Forderungen des Bündnisses „Wir haben es satt“ und dem Veganismus, wie sollten oder könnten sich Veganer gegenüber diesen Demonstrationen und den demonstrierenden Menschen verhalten?
Unter der Annahme, dass jedenfalls die Mehrheit der Demonstranten sich wirklich eine bessere, also eine umwelt-, tier- und menschenfreundlichere Welt wünschen, ergibt sich für Veganer als vermutlich wirkungsvollste Handlungsstrategie die Beteiligung an den Demonstrationen und die Aufklärung der Mitdemonstranten über die katastrophalen Auswirkungen jeder Form von Nutztierhaltung auf unsere Umwelt, die Tiere und die weltweite menschliche Ernährungssicherheit.
Die Demonstranten in Berlin stellen aus veganer Sichtweise die falschen Forderungen aus den richtigen Motiven. Nicht durch Ablehnung und Boykott, sondern durch Beteiligung, Information und Aufklärung ergeben sich die besten Chancen, sie für die vegane Sache und damit für die Sache von Mensch, Umwelt und Tier zu gewinnen.
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49 Kommentare auf "Power to the Bauer? Eine vegane Sichtweise"
@ Ronny 02
Deine Aussage bezüglich Ab- respektiv Anschaffung der Tiere stimmt so nicht ganz. Die Tierzucht hat zum grossen Teil die Jagd abgelöst. Somit bleibt meine Frage „was machen wir nach dem 5. Jahr“ unbeantwortet, ansonsten wir das Rad der Zeit zurückdrehen müssten und erneut Nomaden werden müssten und ausschliesslich von der Jagd leben müssten.
Und, würden wir alle Menschen beschliessen, von einem Tag auf den anderen kein Fleisch mehr zu essen, was machen wir mit all den vorhandenen Tieren?
@ amirim ,ich bin da etwas anderer Meinung aber egal.
Eine interessante Sendung im TV lief am Do. 23.01. 20.15 h im 3 SAT NATUR UNTER BESCHUSS ( ökologische Folgen des Krieges ) . G. R. 02
@Ronny 02
Es kann nicht so viele Wahrheiten geben, wie es Meinungen gibt. Vegan ist keine Wahrheit, sondern eine Verblendung, ein Irrtum, eine Illusion. Es wird langsam Zeit, dass das Fernsehen endlich mal eine Sendung bringt mit dem Titel: NATUR UNTER BESCHUSS – die ökologischen Folgen des Veganismus.
@ Ronny 02
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Ich hab gesehen, dass Du anerkannt hast, dass Tiere notwendig sind. Das ist mal ein grosser Fortschritt zum nicht An- resp. Abschaffungsvorschlag.
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Hast Du keine Antwort auf meine zwei Fragen?
Willst Du mit Sterilisation/Kastration doch in die Natur eingreifen oder soll ich Dein Schweigen so interpretieren, dass Du den von mir dargestellten Lenbenskreislauf anerkannt und somit eingesehen hast, dass einen VERNÜNFTIGEN Fleischkonsum zum Leben gehört?
@ Ronny 02
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Meine 2 Fragen sind immer noch unbeantwortet.
Die Schweizer Grüne Partei hat gerade angekündigt, dass sie eine Initiative lancieren wird, die zum Ziel hat, dass Lebensmittel aus der Region stammen, ökologisch produziert werden sollen und dass das Fleisch, das importiert wird, mindestens die gleiche Qualität wie die Schweizer, gemäss unserem Tierschutzgesetz, aufweisen muss. Das würde das aus für Fleisch, das aus intensiver Massentierhaltung stammt, bedeuten. Freu.
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Auch wenn in der Schweiz nicht alles rosig ist, Schweizer Fleisch stammt sehr oft noch von Bauern und von Frühling bis Herbst kann man effektiv die Tiere draussen auf der Weide oder auf der Alp sehen.
Was VeganerInnen noch am wenigsten fertig bringen, ist, dass sie endlich mal auf einen Punkt kommen: seitenlang wird wieder heruntergebetet, was eigentlich längst jeder weiß, und das Leben der armen, vergewaltigten Veganer-Kinder wird wie üblich schöngeredet.
Stattdessen fehlt – auch von Ronny 02 – immer noch eine Antwort auf die entscheidende Frage: mit was willst Du Dein friedvolles Gemüse ernähren? Mit Mist oder lieber mit fossilen Brennstoffen?
Also, ich stehe durchaus hinter den Forderungen dieser Demo. Ich bin selbst Veganer, lehne Nutztierhaltung aber keineswegs vollständig ab, da ich sie gerade im Sinne der Nachhaltigkeit als durchaus sinnvoll erachte. Dass es nicht so weiter gehen kann wie bisher ist klar. Aber rein bio-vegan – wie soll das gehen?
Übrigens fällt auf, dass in dem Beitrag "Veganer" durchgehend mit "Tierrechtler" gleichgesetzt wird. Das stört mich sehr.
@amirim , ich könnte mich manchmal kaputtlachen was aus manchen Kommentaren herauskommt , wenn es schnell gehen muß. Mit der Milch , wir würden den Kindern natürlich nur Kuhmilch in Ausnahmen geben wenn wir wüssten was die Kühe gefressen haben , nicht die Kinder. Lach …. Ich schreib oft vom iPad aus , da kommt manchmal ein Sch… heraus , nun ja du siehst es ja.
Manche Leute sind einfach noch nicht im 21. Jh. Angekommen. Roberto [&] co., bescheuertere Aussagen habe ich selten gelesen.
@Ronny: top.
Die beste Ernährung nach der Veganen ist nun mal die Mittelmeerküche mit viel Gemüse und vor allem Pflanzenfette . Tierische Fette schneiden nun mal schlecht ab und der Mensch braucht sie nicht (außer Fisch).
Die Mittelmeerküche deckt sich überhaupt nicht den Ansprüchen der Veganer: sie war erstens immer fleischbetont, und zweitens wurden außer Olivenöl keine weiteren Pflanzenfette verwendet. MIt Ausnahme von Olivenöl – was eine Sonderstellung einnimmt – schneiden pflanzliche Fette deutlich schlechter ab als tierische Fette! Das ist wissenschaftlich längst erwiesen. Nur haben das die Veganer noch nicht mitbekommen. Nachzulesen u.a. bei Professor Glatzel vom ehemaligen Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie in Dortmund oder bei Prof. Gerhard Spiteller von der Universität Bayreuth.
http://www.welt.de/gesundheit/article7858700/Omega-3-Fette-nicht-gesuender-als-Schweineschmalz.html
@ amirim, tut mir leid für dich , aber da bist nicht auf dem neuesten Stand . Deine Studien an die du zu glauben versuchst sind schon etwas veraltet und verstaubt . Informiere dich richtig und dann kommentieren wir weiter.
Ein toller Erfolg , die 10 /12 jährigen mit denen wir Videos geschaut haben wie es Tieren ergeht die noch nicht auf dem Teller geistloser Fleischfresser gelandet sind , haben ein weit aus größeren Verstand als Roberto und Co. Sie werden ihr Essverhalten auf jeden Fall ändern , mit der Milch angefangen…..
ERRATA CORRIGE
Absatz 7
… den LEIDigen W E G empor steigen.