Kein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei vegetarischer und veganer Schwangerschaft

Kein erhöhtes Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei vegetarischer und veganer Schwangerschaft

Es liegen dokumentierte Einzelfallberichte vor, gemäß derer bei Kindern von Müttern, die in der Schwangerschaft sich vegan ernährten, schwere neurologische Entwicklungsstörungen auftreten können aufgrund eines Mangels an Vitamin B12. Dem stehen Studien gegenüber, die eine normale Entwicklung von Kindern von Müttern, die sich vegan in der Schwangerschaft ernährten, beschreiben. Vor dem Hintergrund u.a. auch solcher Befunde sind auch die weltweit größten Fachverbände akademischer Ernährungsexperten und von Kinderärzten zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine vegane Ernährung auch während Schwangerschaft, Stillzeit und im Kleinkindalter möglich sei (siehe hier Artikel bei vegan.eu mit Verweis zu weiteren Artikeln und Quellen).

Dennoch sind die vorliegenden Einzelfallberichte ernst zu nehmen, wobei sie in der Gesamtbewertung nahelegen, dass bei veganen Kindern dann Schäden auftreten können, wenn die Eltern nicht auf die erforderliche Vitamin B12 Versorgung achten.

Anders als die großen angloamerikanischen Fachverbände und auch der britische National Health Service zieht die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) den Schluss, dass eine vegane Ernährung während Schwangerschaft, Stillzeit und während des gesamten Kindesalters nicht möglich sei. Die DGE stützt sich dabei auf Einzelfallberichte sowie teilweise auch auf Untersuchungen mit religiösen Extremgruppen und anderen Gruppierungen, die teilweise nicht einmal vegan lebten, aber Supplementierungen ablehnten und sich sogar durch die Einschränkung pflanzlicher Lebensmittel auszeichneten. Die DGE ist mit ihrer vegan-kritischen Position im internationalen Vergleich isoliert und die Warnung vor einer vegane Ernährung beruht offenbar weniger auf wissenschaftlichen als auf ideologisch motivierten Annahmen und Grundüberzeugungen. Allerdings hat die DGE ihre Position zur vegetarischen Ernährung in Schwangerschaft und Kindheit mittlerweile verändert und hält eine vegetarische Ernährung nunmehr für möglich.

Neue Studie

EinForscherteam hat Daten aus der Danish National Birth Cohort aus den Jahren zwischen 1996 und 2002 herangezogen, um zu untersuchen, ob sich Hinweise für erhöhte Gefahren für neurologische Entwicklungsbeeinträchtigungen bei veganen und vegetarischen Kindern ergeben. Tatsächlich wären derartige Gefahren unter Zugrundelegung der Vitamin B12-Thematik auch bei vegetarischen Kindern gegebenenfalls zu erwarten, da nicht nur bei einer veganen, sondern auch bei einer vegetarischen Ernährung die Aufnahme von Vitamin B12 über die Ernährung, wenn keine geplante Sicherstellung der Versorgung erfolgt, reduziert ist (siehe hier).

Bei 77968 Kindern konnten die Autoren auf Informationen aus dem Register für neurologische Entwicklungsbeeinträchtigungen zurückgreifen. Bei 55185 Kindern lagen Informationen zum Alter, ab dem die Kinder begannen, zu sitzen und zu gehen, vor. Bei 47176 Kindern konnte auch auf eine Auswertung des Strength and Difficulties Fragebogens zurückgegriffen werden, der symptomatische Auffälligkeiten, die mit neurologischen Entwicklungsstörungen einhergehen können, erfasst. Informationenwurden bis zum Alter von sieben Jahren der Kinder erhoben.

986 Frauen berichteten über eine vegetarische Ernährung während der Schwangerschaft, wobei lediglich 21 Frauen über eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft berichteten. Auch wenn diese Fallzahlen gering waren, waren sie hinreichend, um Mittelwertunterschiede in den erhobenen Maßen und auch Unterschiede in Diagnosehäufigkeiten zu der großen Stichprobe der nicht-vegetarischen Mütter analysieren und auffinden zu können.

Bei über 90% der Gesamtstichprobe berichteten die Mütter von der Einnahme eines Multivitaminpräparates, bei den vegan lebenden Müttern betrug der entsprechende Prozentsatz etwas über 95%. Deutlich wird hieraus, dass die Einnahme eines Multivitaminpräparates jedenfalls in Dänemark in der Schwangerschaft üblich ist und insofern auch keine besondere Erschwernis darstellt. Ebenfalls erhoben wurden Daten zur Einnahme von Eisen und Folsäure, die deutlich seltener, aber ebenfalls recht oft supplementiert wurden.

Eine Prüfung möglicher signifikanter Unterschiede zwischen der Häufigkeit einer Diagnose einer neurologischen Entwicklungsstörung bei ihren Kindern zwischen den ovo-lacto vegetarischen und veganen Müttern war nicht möglich, weil in beiden Gruppen entsprechende Störungen zu selten auftraten. Ein rein deskriptiver Vergleich der Häufigkeiten ergab keinerlei Hinweis dafür, dass Unterschiede zwischen ovo-lacto vegetarischen oder veganen Müttern bestehen würden.

Auch im Vergleich zwischen den Kindern vegetarischer und nicht-vegetarischer Mütter traten keinerlei signifikante Unterschiede auf. Die Einnahme von Eisen, Folsäure oder einem Multivitaminpräparat führte ebenfalls zu keinen Unterschieden, wobei hier allerdings zu berücksichtigen ist, dass die bei Weitem überwiegende Mehrheit und bei den veganen Müttern nahezu alle ein Multivitaminpräparat einnahmen, was die statistischen Analysemöglichkeiten einschränkt.

Die Autoren schließen, dass ihre Untersuchung einer großen Stichprobe von schwangeren Müttern mit gutem Zugang zu gesunden Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln klinische Annahmen nicht stütze, dass vegetarische Schwangerschaften zu einer Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung von Kindern führen würden.

Auch wenn die Anzahl während der Schwangerschaft vegan lebender Mütter gering war, ist der Wert der Studie weitaus höher als der Wert von unkontrollierten Einzelfallberichten. Ebenfalls erhöht die Beobachtung der Kinder über einen Zeitraum von sieben Jahren die Aussagekraft der Studie. Zudem sind die aktuellen Befunde konsistent mit dem durch die angloamerikanischen Fachverbände referierten Forschungsstand aus vorherigen Studien. Durch die neue Studie wird daher die Position der angloamerikanischen Fachverbände gestützt, dass eine gut geplante vegane Ernährung auch während der Schwangerschaft möglich sei, ohne die Entwicklung eines Kinders zu gefährden.

Ausdrücklich ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass die überwältigende Mehrheit aller schwangeren Frauen in dieser Studie und nahezu alle veganen schwangeren Frauen ein Multivitaminpräparat einnahmen, so dass gerade bezüglich der veganen Stichprobe die positiven Schlussfolgerungen hieran gebunden sind.

Vegane und vegetarisch lebende Frauen können - dies wird aus dem Gesamtbefundlage erkennbar – ihre vegane oder vegetarische Ernährung auch während der Schwangerschaft fortsetzen, sollten aber – wie alle schwangeren Frauen – auf eine sichere Versorgung mit allen Nährstoffen, gerade auch mit Vitamin B12, achten.

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