Studie: Vegane Kinder und Jugendliche keine Risikogruppe

Studie: Vegane Kinder und Jugendliche keine Risikogruppe

Was ist gesünder: Vegan, vegetarisch oder omnivor?

Eine Arbeitsgruppe um den bekannten Ernährungswissenschaftler Markus Keller hat in einer alsVeChi Youth Studybezeichneten Untersuchung anthropometrische Maße, Nahrungsmittelaufnahme, Ernährungsstatus und Auswahl von Lebensmitteln von Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 –18 Jahre untersucht.

Verglichen wurden Kinder und Jugendliche, die sich vegan, vegetarisch oder omnivor (Mischkost mit Fleisch) ernährten. In einer weiteren Auswertung der gleichen Stichprobe wurde vergleichend untersucht, aus welchen Lebensmittel-Gruppen sich die Ernährung der drei Gruppen speist und welche Hinweise sich hieraus für potenziell gesundheitlich vorteilhafte oder nicht vorteilhafte Auswirkungen der untersuchten Ernährungsweisen ergeben.

Es wurden kürzlich zwei Ergebnisauswertungen veröffentlicht, die sich mit anthropometrische Maßen, aufgenommenn Nährstoffen und Ernährungsstatus, sowie einer Analyse der konsumierten Lebensmittel beschäftigten.

In aller Kürze zusammengefasst, findet die Studien keine Belege dafür, dass die vegane Kinderernährung eine Risikoernährung sei. Die bei weitem überwiegende Mehrheit der untersuchten veganen Kinder und Jugendlichen wies eine angemessene Nährstoffversorgung.Die veganen Kinder und Jugendliche praktizierten im Durchschnitt mit mehr Gemüse, mehr Hülsenfrüchten und Nüssen, weniger gesättigten Fetten und weniger Zucker eine gesündere Ernährungsweise als die vegetarischen und omnioren Kinder und Jugendlichen.

Gesellschaftliche Veränderungen

Vorherige Studien hatten bereits gezeigt, dass eine vegane Kinderernährung bei ausreichender Planung gesund und angemessen ist. Zu achten ist dabei insbesondere auf eine ausreichende Vitamin B12 Einnahme, sowie eine ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D.

(Hier findet sich ein Überblick zu verschiedenen vorherigen Artikeln über die vegane Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und im Kindesalter, die auch auf vorliegende Studien eingehen).

Diese älteren Studien spiegeln jedoch nach den Ausführungen der Autor:innen der „VeChi Youth Study“ möglicherweise nicht mehr den Status einer modernen veganen Ernährung wider, da sich zwischenzeitlich viele Veränderungen ergeben haben.

Als mögliche Veränderungen seien ohne Referenz auf die Studie ausgezählt:

  • Die vegane Kinderernährung hat sich trotz aller Zweifel, Vorbehalte und auch der anhaltenden kritischen Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung mittlerweile wesentlich besser etabliert.
  • Führende internationale Fachgesellschaften unterstützen die vegane Ernährung von Kindern aller Altersstufen.
  • Informationen zur veganen Ernährung stehen in hohem Ausmaß zur Verfügung.
  • Veganer:innen haben sich deutlich stärker miteinander vernetzt und unterstützen sich gegenseitig, auch bei Fragen der veganen Ernährung von Kindern.
  • Es gibt bereits vegane Kindergärten und Kindertagesstätten, zunehmend setzt sich durch – trotz einiger Rückschläge - dass auch in Kindergärten und Schulen vegane Mahlzeiten als Option angeboten werden.

Wie sieht heute eine moderne vegane Ernährung von Kindern in der Praxis aus?

Die „VeChi Youth Study“ ermöglicht es, diese Fragen mit größerer Klarheit zu beantworten.

Details zu den Auswertungen

Die Studie untersuchte in einem Querschnitt, also ohne zeitliche Verlaufsbeobachtung, 149 vegetarische, 115 vegane und 137 omnivore Kinder und Jugendliche im Alter von 6–18 Jahren mit einem Durchschnittsalter von 12,7 Jahren.

Vegetarische Kinder und Jugendliche waren im Durchschnitt bereits seit fünf Jahren Vegetarier:innen, vegane Kinder und Jugendliche ernährten sich im Durchschnitt bereits mehr als vier Jahre vegan.

Verglichen wurden (1) Unterschiede in der Nahrungsmittelaufnahme, die über Ernährungstagebücher erhoben wurden, (2) Nährstoff-Biomarker und (3) Blutfettkonzentrationen, wobei für mögliche Auswirkungen von Alter, BMI, sozioökonomischem Status, Rauchen im Haushalt, körperliche Aktivität und die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln kontrolliert wurde.

In einer weiteren Auswertung wurde untersucht, wie hoch der Anteil von insgesamt 18 Lebensmittelgruppen an der Ernährung war, wobei in diese Analyse 145 vegetarische, 110 vegane und 139 omnivore Kinder und Jugendliche einbezogen werden konnten. Untersucht wurden die Lebensmittelgruppen Gemüse, Obst, Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Nüsse/Samen, Aufstriche, Fette/Öle, Getränke (Wasser, Kaffee, Tee etc.), Milchprodukte, Pflanzliche Milchalternativen, Fleisch/Wurst, Eier, Vegetarische oder vegane Fleisch/Wurst-Alternativen, Süßwaren & Snacks, Fertignahrung, Andere (zum Beispiel Gewürze, Salz etc. )

Auch zwischen den verschiedenen Lebensmitteln innerhalb einer Kategorie wurden teilweise Vergleiche zwischen den drei Ernährungsgruppen vorgenommen – beispielsweise zum Konsum von Vollkornprodukten, die innerhalb der Lebensmittelgruppe Getreide lokalisiert sind.

Hauptergebnisse

Unterschiede in konsumierten Lebensmitteln

Vegane Kinder und Jugendliche konsumierten am meisten Gemüse und Vollkornprodukte. Sie konsumierten die geringsten Mengen an Fetten/Ölen und Süßspeisen. Zudem konsumierten sie mehr Hülsenfrüchten, Nüsse, Fleischalternativen und Milchalternativen. Bei Obst, Kartoffeln und Getränken gab es demgegenüber keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Ernährungsgruppen.

Die Autor:innen gelangten zu dem Schluss, dass sich im Hinblick auf die verzehrten Lebensmittel vegane Kinder und Jugendlicher im Durchschnitt gesünder ernährten als vegetarische und omnivore Kinder und Jugendliche. Bei Omnivoren falle ein besonders niedriger Konsum von Hülsenfrüchten und Nüssen auf. Vegetarier:innen konsumierten weniger Milchprodukte als Omnivoren, was umgekehrt nach den Darstellungen der Autor:innen ebenfalls bedeutet, dass sie sich – ähnliche wie Veganer:innen - um eine ausreichenden Zufuhr von Vitamin B12 kümmern müssen.

Alter, Körpergröße und BMI

Zwischen den Ernährungsgruppen gab es keinen signifikanten Unterschied in Alter, Körpergröße, Körpergewicht und BMI. Während im Erwachsenenalter Veganer:innen typischerweise einen geringeren BMI haben, zeigte sich dies also nicht in dieser Stichprobe von Kindern und Jugendlichen.

Nahrungsergänzungsmittel

Vegetarisch und vor allem vegane Kinder und Jugendliche nahmen häufiger Nahrungsergänzungsmittel zu sich als omnivore Kinder. So nahmen 88 % der veganen, 39 % der vegetarischen und 10 % der omnivoren Kinder und Jugendlichen Vitamin B12 zu sich, was die häufigste Supplementierung war. Deutlich wird, dass in der modernen veganen Ernährung im Kindes- und Jugendalter eine Supplementierung von Vitamin B12, wie sie auch ernährungswissenschaftlich geboten ist, in aller Regel durchgeführt wird. Die ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 gehört also zur modernen veganen Ernährung von Kindern und Jugendlichen dazu.

Protein und Kohlenhydrate

In allen Ernährungsgruppen überstieg die mittlere Proteinzufuhr die erforderliche Mindestmenge, wobei die Einnahme von Protein bei den Veganer:innen geringer war als bei den Vegetarier:innen und Omnivor:innen. Demgegenüber war die Zufuhr von Kohlenhydraten bei veganen und vegetarischen Kindern und Jugendlichen höher war als bei omnivoren Kindern und Jugendlichen.

Fette

Vegetarische und omnivore Kinder nahmen durchschnittlich mehr Fett auf als vegane Kinder und Jugendliche. Die Aufnahme von gesättigten Fetten war am höchsten bei den omnivoren Kindern und Jugendlichen, gefolgt von den Vegetarier:innen. Am wenigsten gesättigte Fetter konsumierten die Veganer:innen. Vegane Kinder und Jugendliche nahmen dafür am meisten mehrfach ungesättigte Fette auf.

Ballaststoffe

Vegane Kinder und Jugendlichen nahmen am meisten Ballaststoffe zu sich, während omnivore Kinder und Jugendliche am wenigsten Ballaststoffe aufnahmen. Vegetarische Kinder und Jugendliche lagen hier im Mittelfeld. Omnivoren lagen bezüglich der Menge der mit der Ernährung aufgenommenen Ballaststoffe unterhalb der Empfehlungen für eine gesunde Ernährungsweise.

Vitamine und Mineralstoffe

Veganer:innen wiesen die höchste Zufuhr von Vitamin E, Magnesium und Eisen durch die Ernährung auf, während omnivore Kinder und Jugendlichen hier die geringste Zufuhr zeigten. Allerdings ist bezüglich des Eisen zu berücksichtigen, dass die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Pflanzen geringer ist. Veganer:innen müssen mehr Eisen zuführen, um die gleiche Menge an bioverfügbarem Eisen aufzunehmen.

Bei Veganer:innen war die Zufuhr von Kalzium am niedrigsten. Es ist für die Knochengesundheit wichtig, eine ausreichende Kalzium-Zufuhr sicherzustellen. Deutlich wird, dass Veganer:innen ganz besonders auf eine ausreichende Kalzium-Zufuhr achten sollten, was – wie die Autor:innen ausführen – erreicht werden kann über dunkelgrünes Gemüse, Tofu, Mandeln, getrocknete Feigen, Kichererbsen, kalziumreiches Mineralwasser und mit Kalzium angereicherte Milch-Alternativen.

In der veganen Gruppe am höchsten war die Zufuhr von Vitamin C und Folsäure.

Veganer:innen nahmen im Durchschnitt am wenigsten Vitamin B2 (Riboflavin) auf, wobei in allen Gruppen die durchschnittliche (Median) Aufnahme unterhalb der Empfehlungen lag. Bei Veganer:innen erreichte sie 60 % der empfohlenen Menge, bei Vegetarier:innen 75 % und bei Omnivoren 83 %.

Omnivoren zeigten die höchste Aufnahme von Vitamin B12 über die Ernährung, gefolgt von Vegetarier:innen. Veganer:innen wiesen die geringste Aufnahme auf. Hierbei wurde allerdings die Supplementierung, die bei Veganer:innen wesentlich häufiger ist, noch nicht berücksichtigt.

Blutanalysen

Veganer:innen zeigten im Vergleich zu Vegetarier:innen eine bessere Vitamin B12 Versorgung anhand ihrer Blutwerte. Veganer:innen lagen bei den relevanten Blutwerten zu Vitamin B12 jeweils zwischen Vegetarier:innen und Omnivoren. Dies ist das Ergebnis der deutlich häufigeren Supplementierung mit Vitamin B12 bei Veganer:innen als bei Vegetarier:innen. Diese Befunde machen gleichzeitig deutlich, dass auch bei einer vegetarischen Ernährung an eine Vitamin B12 Supplementierung gedacht werden sollte.

Es gab keinen signifikanten Unterschied in den Blutkonzentrationen von Hämoglobin, Vitamin B2,Vitamin D3 und dem gesundheitsförderlichen HDL-Cholesterin zwischen den drei Ernährungsgruppen.

Veganer:innen hatten aber die geringsten Konzentrationen des nicht HDL-Cholesterin und des schädlichen LDL-Cholesterin.

Die Ferritinkonzentration (Eisenwert im Blut) war bei Omnivoren signifikant höher als bei Vegetarier:innen und Veganer:innen, aber die große Mehrheit der Veganer:innen zeigte ebenfalls eine ausreichende Eisenversorgung. Hier ist auch zu bedenken, dass beim Eisen höhere Werte keineswegs gesundheitsförderlich sein müssen, sondern sogar negative kardiovaskuläre Auswirkungen diskutiert werden. https://www.vegan.eu/eisen_fleisch_vegan/

Veganer:innen wiesen eine höhere Konzentration von Folat als Vegetarier:innen auf. Folsäure ist für Omnivoren ein kritisches Vitamin, dessen ausreichende Versorgung über die fleischbasierte Mischkost oft nicht sichergestellt wird. Veganer:innen zeigen hier demgegenüber eine gute Versorgung.

Auffällig war, dass sich in allen Ernährungsgruppen recht häufig eine geringe Konzentration von Vitamin B2 zeigte, wobei die prozentuale Häufigkeit hier zwischen 37 % bei den Omnivor:innen, 50 % bei den Vegetarier:innen und 54 % bei den Veganer:innen schwankte. Deutlich wird, dass Veganer:innen, aber auch Vegetarier:innen und Omnivoren auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B2 achten sollten. Pflanzliche Quellen für Vitamin B2 sind beispielsweise getrockneter Seetang, Grünkohl oder Mandeln.

Zu geringe Konzentrationen von Vitamin D3 zeigten sich bei 36 % der Vegetarier: innen, 28 % der Omnivoren und 27 % der Veganer:innen. Vitamin D-Mangel ist demnach ein Problem, welches nicht spezifisch an die moderne vegane Ernährung gebunden ist. Eine Supplementierung sollte vielmehr unabhängig von der Ernährungsform überlegt werden.

Bewertung der Befunde

Die Autor:innen weisen in ihrer abschließenden Diskussion darauf hin, dass der Fokus oft auf Gesundheitsgefahren einer veganen Ernährung liege, vegane Kinder und Jugendliche hätten aber in dieser Untersuchung die höchste Zufuhr an Vitamin E, Vitamin B1, Folsäure, Vitamin C, Magnesium und Zink aufgewiesen. Zudem sie die Aufnahme von freiem Zucker bei veganen Kindern und Jugendlichen geringer als bei Vegetarier:innen und Omnivoren gewesen. Veganer:innen nahmen auch mehr Ballaststoffe zu sich und konsumieren weniger gesättigte Fette und mehr mehrfach ungesättigte Fette.

Veganer Kinder und Jugendlichen wiesen in dieser Studie die geringsten Konzentrationen an nicht HDL-Cholesterin und LDL-Cholesterin auf. Hier sehen die Autor:innen eine Parallele zu Ergebnissen bei Erwachsenen im Sinne eines geringeren Risikos für die am weitesten verbreiteten nicht-übertragbaren Erkrankungen, wie Fettstoffwechselstörung, Atherosklerose und koronare Herzkrankheit.

Auf der Ebene konsumierter Lebensmittel zeigte sich eine gesündere Lebensmittelauswahl bei den veganen Kindern und Jugendlichen im Sinne von mehr Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen und weniger Fetten/Ölen sowie weniger Süßigkeiten und Snacks.

Deutlich wurde aus der Studie aber ebenfalls, dass es für Veganer:innen besonders wichtig ist, auf eine ausreichende Zufuhr von Kalzium zu achten. Die Autor:innen benannten hier als vegane Quellen dunkelgrünes Gemüse, Tofu, Mandeln, getrocknete Feigen, Kichererbsen, kalziumreiches Mineralwasser (≥400 mg/l) und mit Kalzium angereicherte Milch-Alternativen.

Das gleiche gilt für Vitamin B12, wobei hier die untersuchten veganen Kinder und Jugendlichen aber im Regelfall die notwendige Supplementierung durchführten und sich dadurch positiv von vielen vegetarischen Kindern und Jugendlichen unterschieden.

Aus den Befunden wurde ebenfalls erkennbar, dass Veganer:innen, aber auch alle anderen Ernährungsgruppen stärker auf die Versorgung mit Vitamin B2 (Riboflavin) achten sollten, wobei hierfür getrockneter Seetang, Grünkohl oder Mandeln sehr gute pflanzliche Quellen sind. Über alle Gruppen zeigte sich zudem die Gefahr einer Unterversorgung mit Vitamin D, worauf entsprechend alle Ernährungsgruppen achten sollten.

Insgesamt beobachtete die Studie eine gesundheitlich besonders vorteilhafte Ernährung der untersuchten veganen Kindern und Jugendlichen, wobei aber Verbesserungsbedarf bei Kalzium sowie bei Vitamin B2 und Vitamin D bestehen, wobei bezüglich Vitamin B2 und Vitamin D auch bei vegetarischen und omnivoren Kindern Verbesserungsbedarf erkennbar ist.

Die Befunde der Studie zeigen, dass eine gesunde vegane Ernährung von Kindern und Jugendlichen nicht nur theoretisch möglich ist, sondern auch bereits von der großen Mehrheit der betreffenden Personen praktiziert wird. Es ist zu erwarten, dass vor dem Hintergrund dieser Studienbefunde die teilweise noch bestehenden Widerstände gegen eine vegane Ernährung von Kindern und Jugendlichen weiter abnehmen werden.

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