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Die DGE und der lange Weg zur Akzeptanz der veganen Ernährung

Die DGE und der lange Weg zur Akzeptanz der veganen Ernährung

Neubewertung mit Bremse: Die aktuelle Stellungnahme der DGE zur veganen Ernährung

Erstmals öffnet sich die DGE der pflanzenbasierten Ernährung und würdigt deren gesundheitliches und ökologisches Potenzial. Doch Tierwohl, Klimakrise und globale Gerechtigkeit bleiben weitgehend unberücksichtigt. Eine konsequente Positionierung für die vegane Ernährung als Standard bleibt aus – noch.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat lange Zeit eine kritische Position zur veganen Ernährung vertreten. Erst 2016 erklärte sie die vegane Ernährung für Erwachsene bei guter Planung für möglich, warnte jedoch weiterhin vor einer veganen Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche.

Hieraus ergaben sich für vegan lebende Familien gravierende Konsequenzen, denen wir in einer Umfrage von vegan.eu nachgegangen sind:

  • Die meisten veganen Familien schilderten, aufgrund ihrer veganen Ernährung bereits diskriminiert worden zu sein, wobei gravierende Probleme insbesondere in Kindergarten und Schule berichtet wurden – bis hin zu Schwierigkeiten, überhaupt einen Kindergartenplatz zu erhalten.

Demgegenüber hatte die US-amerikanische Schwesterorganisation, die größte ernährungswissenschaftliche Fachorganisation der Welt – die Academy of Nutrition and Dietetics (damals noch unter dem Namen American Dietetic Association) – bereits 2009 in einem Positionspapier erklärt, dass eine gut geplante vegane Ernährung für alle Altersgruppen und in allen Lebensphasen möglich und gesund sei, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Kleinkindalter und Seniorenalter.

Auch in unserer weiterhin laufenden großen Vegan-Umfrage 2025 sehen wir, dass das Thema der neuen DGE-Empfehlung die vegane Community bewegt. Erste Vorergebnisse werden in diesem Artikel dargestellt.

Leben Sie vegan und haben Sie noch nicht an der Umfrage teilgenommen? Bitte tun Sie dies jetzt:

▶ Hier zur großen Vegan-Umfrage 2025

Neue DGE-Position zur veganen Ernährung

Grundlagen und Bewertungsrahmen

Für ihre Neubewertung zog die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) umfassende wissenschaftliche Daten heran. Berücksichtigt wurden sogenannte systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen, also Zusammenfassungen vieler Einzelstudien mit hoher Aussagekraft. Zusätzlich analysierte die DGE neue Einzelstudien zur Nährstoffversorgung, zum Gesundheitszustand sowie zur körperlichen Entwicklung vegan ernährter Kinder – insbesondere auch aus Deutschland.

Erstmals hat die DGE zudem über Gesundheit und Nährstoffversorgung hinausgehend folgende drei weitere Aspekte in ihrer Analyse berücksichtigt:

  • Umwelt- und Ökologieeffekte
  • soziale und wirtschaftliche Aspekte
  • Tierwohl

Der Bereich Gesundheit und Nährstoffe umfasst u. a. Erkrankungsrisiken, Blutwerte, Körpergewicht und die Versorgung mit kritischen Mikronährstoffen. Der Umweltaspekt bewertet die Auswirkungen der Ernährung auf Klimagasemissionen, Flächenverbrauch, Biodiversität und Wasserverbrauch. Der sozialökonomische Bereich analysiert unter anderem die Kosten für eine vegane Ernährung. Das Tierwohl wurde kursorisch-qualitativ ausgewertet.

Gesundheitliche Wirkungen und Krankheitsrisiken

Die DGE kommt zu dem Ergebnis, dass eine gut geplante vegane Ernährung für gesunde Erwachsene eine gesundheitsförderliche Ernährungsform sein kann. Insbesondere bezüglich der Wahrscheinlichkeit chronischer Erkrankungen zeigen sich vorwiegend positive Auswirkungen der veganen Ernährung:

  • So ist das Risiko für Krebserkrankungen bei veganer Ernährung signifikant reduziert. Auch die Inzidenz von ischämischen Herzerkrankungen ist verringert, ebenso wie die Gesamtmortalität. Für kardiovaskuläre Erkrankungen insgesamt ergibt sich ebenfalls ein erniedrigter Wert.

Lediglich für eine Erkrankung wurde ein erhöhtes Risiko beobachtet:

  • Frakturen traten bei veganer Ernährung häufiger auf, vermutlich infolge einer geringeren Knochendichte. Diese lässt sich unter anderem durch niedrigere Calciumaufnahme und Vitamin-D-Spiegel erklären. Die DGE stellt jedoch fest, dass dieses Risiko bei gezielter Auswahl calciumreicher pflanzlicher Lebensmittel (z. B. Sesam, Tofu, angereicherte Pflanzendrinks) vermieden werden kann.

Diese Befunde weisen in der Gesamtbetrachtung darauf hin, dass eine vegane Ernährung mit einer geringeren Krankheits- und Sterbewahrscheinlichkeit einhergeht. Dies gilt umso mehr, als kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebserkrankungen die häufigsten Todesursachen sind.

Bestätigt werden diese Ergebnisse zudem durch bessere Werte bei mehreren Risikomarkern:

  • Der BMI und der Taillenumfang sind niedriger. Auch der Blutdruck ist systolisch und diastolisch tendenziell niedriger. Die LDL-Cholesterinwerte und das Gesamtcholesterin sind signifikant reduziert – beide gelten als zentrale Prädiktoren für Herzkreislauferkrankungen. Der Nüchternblutzucker liegt bei Veganern ebenfalls niedriger, das 10-Jahres-Risiko für koronare Herzkrankheiten fällt auch geringer aus.

Nährstoffversorgung: Unterschiede, Vorteile und kritische Aspekte

Die Nährstoffzufuhr bei veganer Ernährung unterscheidet sich in einigen Aspekten von jener bei omnivorer Mischkost oder vegtarischer Ernährung.

Die DGE betont, dass ein großer Teil dieser Unterschiede keine gesundheitliche Relevanz hat, da sich alle Werte im Referenzbereich befinden.

In mehreren Fällen ist die Versorgung vegan lebender Menschen günstiger:

  • So liegt die Zufuhr von Folat, Vitamin C, β-Carotin, Ballaststoffen, Magnesium sowie mehrfach ungesättigten Fettsäuren signifikant über den Werten von omnivor lebenden Personen. Gleichzeitig ist die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren deutlich geringer – ein weiterer Vorteil im Hinblick auf die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Übrigens konsumieren Veganer:innen im Durchschnitt auch weniger. (Saccharose).

Andere Nährstoffe werden im Durchschnitt weniger aufgenommen:

  • Vitamin B12, Vitamin B2, Calcium, Jod, Zink, Eisen (bei Frauen) sowie langkettige Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA)

Die DGE macht hier deutlich, dass nur Vitamin B12 zwingend supplementiert werden muss. Für alle anderen genannten Mikronährstoffe gilt:

  • Sie können bei bewusster Lebensmittelauswahl und genügend Sonnenlicht (Vitamin D) ausreichend zugeführt bzw. gedeckt werden. Auch jodarme, sichere Algen, wie Nori, und Mikroalgenöle können hier eine bedeutsame Rolle spielen. Zudem können eisenreiche Lebensmittel gezielt mit Vitamin C kombiniert werden.

Vulnerable Gruppen: Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende, Senior:innen

Die DGE wertete erstmals auch Studien zur veganen Ernährung bei Kindern und anderen vulnerablen Gruppen aus – darunter auch neue Untersuchungen aus Deutschland. Grundsätzlich zeigen diese Befunde klar, dass auch bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren und Stillenden eine gut geplante vegane Ernährung möglich ist – unter bestimmten Bedingungen:

  • Bei Kindern und Jugendlichen zeigte sich keine Beeinträchtigung des Wachstums oder der Entwicklung. Der BMI lag im Referenzbereich, das LDL-Cholesterin war günstiger als bei Mischköstlern. Ein minimal geringerer Längenwert wurde beobachtet, ließ sich aber durch fehlende Alterskorrektur erklären.
  • Bei Schwangeren war das mittlere Geburtsgewicht ihrer Kinder sogar leicht erhöht, wenngleich ein erhöhtes Risiko für SGA-Kinder (klein für Gestationsalter) in Einzelfällen beobachtet wurde. Für Stillende ergab sich bei Vitamin-B12-Supplementierung eine adäquate Nährstoffzusammensetzung der Muttermilch. Für Senior:innen ist die Datenlage noch zu gering, um gesicherte Aussagen zu treffen.

Insgesamt zeigen die von der DGE zusammengestellten Befunde keine Evidenz für eine pauschale Ablehnung der veganen Ernährung in diesen Gruppen. Die DGE betont aber den Bedarf an fachlicher Beratung und besonderer Sorgfalt bei der Nährstoffversorgung.

Umwelt und Ökologie

Die Umweltwirkungen veganer Ernährung wurden anhand von Modellierungen und systematischen Reviews bewertet. Das Ergebnis ist eindeutig:

  • Eine vegane Ernährung reduziert die Treibhausgasemissionen um 69–81 %, die Landnutzung um bis zu 75 %, das Eutrophierungspotenzial um 73 % und den Verlust an Biodiversität um 66 %. Lediglich beim Wasserverbrauch zeigten sich uneinheitliche Ergebnisse (–54 % bis +13 %).

Diese Effekte sind größer als bei anderen pflanzenbetonten Ernährungsformen (z. B. vegetarisch, mediterran oder flexitarisch) und sprechen klar für ein überlegenes ökologisches Potenzial einer veganen Ernährungsweise. Dies wird von der DGE ohne Einschränkung eingeräumt.

Soziale und wirtschaftliche Aspekte

Häufig wird die vegane Ernährung als teuer wahrgenommen. Studien zeigen jedoch, dass dies nicht zwingend zutrifft: In Erhebungen mit Kindern und Jugendlichen unterschieden sich die Lebensmittelkosten zwischen veganer und omnivorer Ernährung nicht signifikant. Modellberechnungen ergaben, dass vegane Ernährung günstiger als mediterrane oder fleischreiche Kostformen sein kann – insbesondere dann, wenn Umweltkosten internalisiert würden.

Problematisch könnten allerdings wirtschaftliche Auswirkungen für Regionen mit starker Tierhaltungsstruktur sein, weshalb die DGE begleitende Transformationsstrategien für den ländlichen Raum empfiehlt.

Insgesamt ergeben sich aus den Darstellungen der DGE keine Evidenzen für gelegentlich geäußerte Vermutungen, dass die vegane Ernährung aufgrund höherer Kosten besonders elitär sei.

Tierwohl

Die DGE unterlässt in ihrer Stellungnahme eine nachvollziehbare und kriterienbasierte Bewertung des Tierwohls, verweist aber darauf, dass dieser Aspekt für vegan lebende Menschen eine große Bedeutung habe. Die Daten zeigen, dass Veganer:innen ethisch motivierter konsumieren und Tierleid aktiv vermeiden wollen. Da bei veganer Ernährung keine Tierprodukte verwendet werden, schneidet sie in diesem Bereich am besten ab, wobei die DGE aber auf unzureichende Auswertungen in diesem Bereich (wie auch bezüglich des sozialen Bereichs) verweist.

Gesamtschlussfolgerung der DGE

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung kommt in ihrer Neubewertung zu einem differenzierten und positiven Ergebnis: Eine gut geplante vegane Ernährung ist für gesunde Erwachsene geeignet und kann gesundheitsförderlich sein.:

  • Auf Basis des gegenwärtigen Kenntnisstandes kann für die gesunde erwachsene Allgemeinbevölkerung neben anderen Ernährungsweisen auch eine vegane Ernährung, unter der Voraussetzung der Einnahme eines Vitamin-B12-Präparats, einer ausgewogenen, gut geplanten Lebensmittelauswahl sowie einer bedarfsdeckenden Zufuhr der potenziell kritischen Nähr stoffe (ggf. auch durch weitere Nährstoffpräparate), eine gesundheitsfördernde Ernährung darstellen.

Auch für vulnerable Gruppen ist nach den Befunden der DGE eine vegane Ernährung möglich, sofern eine ausgewogene Lebensmittelauswahl, Vitamin-B12-Supplementierung und fachliche Beratung sichergestellt sind:

  • Für die vulnerablen Gruppen Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende und Senior:innen kann die DGE aufgrund der weiterhin eingeschränkten Datenlage weder eine eindeutige Empfehlung für noch gegen eine vegane Ernährung aussprechen.

Die DGE empfiehlt zusammenfassend, auch vor dem Hintergrund der belegten ökologischen Vorteile, den Anteil tierischer Produkte in der Ernährung deutlich zu reduzieren. Eine vollständig vegane Ernährung ist dabei für die DGE vertretbare und nachhaltige Option, wenn sie kompetent umgesetzt wird:

  • Unter Berücksichtigung sowohl gesundheits- als auch umweltrelevanter Aspekte ist eine Ernährungsweise mit einer deutlichen Reduktion tierischer Lebensmittel zu empfehlen.

Neue allgemeine Ernährungsempfehlungen der DGE

Die DGE hat nicht nur eine Neubewertung der veganen Ernährung vorgenommen, sondern auch eine allgemeine neue Stellungnahme zu ihren Ernährungsempfehlungen unter dem Titel Gut essen und trinken – die DGE-Empfehlungen veröffentlicht.

Die DGE empfiehlt hier eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung, bei der mindestens drei Viertel aller Lebensmittel pflanzlich sein sollten. Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und pflanzliche Öle bilden das Fundament. Tierische Lebensmittel – Fleisch und Wurst, Fisch, Milchprodukte und Eier – spielen nur eine begrenzte Rolle.

Die Fleischaufnahme sollte auf maximal 300 g pro Woche begrenzt werden, um sowohl gesundheitliche Risiken als auch ökologische Belastungen zu minimieren. Eierkonsum sollte sich auf ein Ei in der Woche beschränken.

Allerdings bewertet die DGE regelmäßigen Fischkonsum weiterhin positiv:

  • Fette Fische wie Lachs, Makrele und Hering liefern wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Seefisch wie Kabeljau oder Seelachs enthält zudem Jod. Essen Sie ein- bis zweimal Fisch pro Woche.

Zudem empfiehlt sie den Konsum von 300 bis 400 g Milch und Milchprodukten täglich, wobei sie zu den Milchprodukten aber auch Pflanzenmilch zählt.

Kritische Einordnung der neuen DGE-Stellungnahme zur veganen Ernährung

Fortschrittliche Öffnung, aber weiterhin Unklarheiten

Festzustellen ist, dass sich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bewegt hat, wenn auch langsam.:

  • Erstmals erklärt sie die vegane Ernährung dezidiert zu einer gesunden Ernährung für Erwachsene, ohne eine Warnung auszusprechen. Ihre vorherige, dezidierte Warnung vor der veganen Ernährung für Schwangere, Stillende, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche sowie andere vulnerable Gruppen hat sie aufgegeben.

Damit hat sich die DGE an die bereits seit mehr als 15 Jahren durch die Academy of Nutrition and Dietetics (USA) vertretene Position angenähert, was wiederum einer Annäherung an die vegane Ernährung entspricht.

Diese Annäherung der DGE an die vegane Ernährung wird auch von vegan lebenden Menschen wahrgenommen, wie sich aus dieser vorläufigen Auswertung unserer noch laufenden großen Vegan-Umfrage 2025 zeigt:

In unserer laufenden Umfrage unter Veganer:innen haben 42 % angegeben, die Position der DGE bereits zur Kenntnis genommen zu haben. Nach Erläuterung der Position vermuten 58 %, dass sich Vereinfachungen bei der veganen Versorgung in Kindergärten ergeben werden. Verbesserungen in Schulen vermuten 61 %.

Für vegane Eltern scheinen sich besonders starke Veränderungen zu ergeben:

  • In einer vorherigen Umfrage von vegan.eu gaben 53 %, sich durch die Position der DGE diskriminiert zu fühlen. In der laufenden Umfrage fühlen sich demgegenüber nur noch 8 % der befragten veganen Eltern mit minderjährigen Kindern durch die aktuelle Stellungnahme der DGE diskriminiert.

Mit ihrer neuen Stellungnahme hat die DGE insofern tatsächlich einen Schritt unternommen, um den Bedürfnissen vegan lebender Familien entgegenzukommen. Obwohl sich die Position der DGE aus veganer Sichtweise eindeutig verbessert hat, bleiben eine Reihe an Unzulänglichkeiten, Relativierungen und Auslassungen bestehen:

Unzulängliche Berücksichtigung von Ökologie und Umweltschutz

Es ist zu begrüßen, dass die DGE nach Jahrzehnten erstmals ökologische Aspekte der Ernährung mitbewertet. Dies gilt umso mehr, als dass die Nutztierhaltung maßgeblich zum Klimawandel, zur Zerstörung von Ökosystemen und zum Verlust an Biodiversität beiträgt.

Dabei bewegen wir uns aktuell innerhalb der negativsten Prognoseszenarien des Klimawandels, wobei Verheerungen in zahlreichen Gebieten bereits begonnen haben und sich in den kommenden Jahren verschärfen werden.

Aus der Stellungnahme der DGE wird deutlich, dass die vegane Ernährung bei weitem umweltfreundlicher ist als die omnivore Ernährung (Mischkost mit Fleisch) oder auch eine vegetarische Ernährung.

Es bleibt aber vollkommen unklar, mit welchem Gewicht nun der Umweltbereich in die Empfehlungen der DGE tatsächlich eingeflossen ist.

Kritischer formuliert, scheint ein nur sehr geringes Gewicht gegeben worden zu sein:

  • Die Klimakatastrophe gehört zu den größten Bedrohungen unserer Zeit. Nach Versicherungsschätzungen werden bis 2050 etwa 1,2 Milliarden Klimaflüchtlinge erwartet, die ihre Heimat verlassen müssen, weil die Bedingungen dort nicht mehr lebensfähig sind. Viele von ihnen werden an den Abschottungsmaßnahmen der wohlhabenden Staaten scheitern.
  • Bereits heute leiden Menschen im Iran unter Temperaturen von über 50 Grad, und es wird aufgrund von Wasserknappheit an eine Verlegung der Hauptstadt Teheran gedacht. Auch in anderen Erdteilen, in denen traditionell hohe Temperaturen herrschen, hat sich die Hitze verschärft. Die Menschen dort leben weitgehend ohne Klimaanlagen, und traditionelle Ventilatoren verschlimmern ab einem bestimmten Hitzegrad die Situation noch zusätzlich.

Wenn die DGE also die bereits begonnene Umweltkatastrophe ausreichend zur Kenntnis genommen und mit hinreichendem Gewicht in ihre Empfehlungen hätte einfließen lassen, hätte sie nach ihrer eigenen Logik ausnahmslos eine vegane Ernährung empfehlen müssen. Stattdessen vertritt sie eine weitestgehend gleichrangige Empfehlung für eine omnivore, vegetarische oder vegane Ernährung, als ob es zwischen ihnen keine Unterschiede gäbe.

Weltweite Fischerei verheert unsere Weltmeere

Im Übrigen machen auch die Empfehlungen der DGE zum Konsum von Meeresfisch deutlich, wie sehr sie ökologische Folgen ignoriert:

  • Die industrielle Meeresfischerei gilt als Hauptursache des Artenrückgangs in den Ozeanen. Der Anteil überfischter Bestände hat sich in den vergangenen 50 Jahren verdreifacht – über 30 % gelten als überfischt. Besonders große Raubfische wie Haie oder Thunfische sind betroffen, was zu ökologischen Kaskadeneffekten führt. Der Rückgang von Top-Prädatoren begünstigt Plagen durch Quallen oder Seeigel.
  • Ein weiteres Problem ist der Beifang: Millionen Meeressäuger, Schildkröten, Vögel und Haie verenden jährlich. In der Fischerei sterben z. B. rund 100 Millionen Haie pro Jahr – viele Arten sind bereits bedroht. Besonders zerstörerisch wirkt die Grundschleppnetz-Fischerei: Sie vernichtet Meeresböden und Korallenriffe und setzt enorme Mengen gebundenen CO₂ frei, was den Klimawandel zusätzlich anheizt.

Aber auch Aquakulturen sind keine Lösung:

Rund die Hälfte der weltweit verzehrten Fische stammt aus Fischfarmen. Die intensive Haltung verursacht ebenfalls erhebliche Umweltschäden:

  • Für Garnelenzucht wurden großflächig Mangrovenwälder gerodet – artenreiche Küstenökosysteme gingen verloren. Die Verschmutzung durch Fäkalien, Futterreste und Chemikalien führt zu Überdüngung, Algenblüten und Sauerstoffmangel in Gewässern.
  • Auch der Einsatz von Antibiotika, Pestiziden und Hormonen ist problematisch. Rückstände fördern Resistenzen und schädigen benachbarte Organismen. Entwichene Zuchtfische bedrohen Wildpopulationen durch Konkurrenz oder genetische Durchmischung. Parasiten wie Lachsläuse aus Aquakulturen gefährden Wildlachsbestände massiv.
  • Hinzu kommt der hohe Verbrauch von Wildfischen für Fischfutter: Für ein Kilo Zuchtlachs werden hunderte Wildfische benötigt. Dies verschärft den Druck auf die ohnehin geschädigten Bestände.

Der Verweis auf Nachhaltigkeitssiegel kann die negativen ökologischen Folgewirkungen der DGE-Empfehlung nicht ausgleichen. Viele Fisch- und Aquakulturprodukte gelten trotz gravierender Umweltauswirkungen als „nachhaltig“ – durch Siegel wie MSC (Wildfang) und ASC (Zucht). Doch Kritiker sprechen von Greenwashing. Die Standards seien oft zu schwach, die Siegel täuschten Nachhaltigkeit nur vor.

  • Im Zentrum der Kritik steht der MSC, der weltweit große Mengen Fisch zertifiziert – auch industrielle Fischereien mit zerstörerischen Methoden wie Grundschleppnetzen. Eine Analyse 2000–2017 zeigte, dass 83 % der zertifizierten Fangmengen aus genau solchen Methoden stammten. Handwerkliche Fischereien machten nur 7 % aus, obwohl sie in der Außendarstellung dominieren. Auch überfischte Bestände oder sensible Ökosysteme wurden zertifiziert – sofern es Maßnahmenpläne gab. Grundproblem: Der MSC finanziert sich über Gebühren der Industrie und hat daher wenig Anreiz zur Ablehnung.
  • Auch das ASC-Siegel steht in der Kritik – etwa wegen zu lascher Vorgaben zum Einsatz von Antibiotika oder zu geringen Sozialstandards. Andere Labels (z. B. Dolphin Safe) blenden zentrale Probleme wie Haifinning oder Überfischung aus.

Die Siegel vermitteln trügerische Sicherheit, aber sind vorwiegend eines; ein grüner Anstrich für ein zerstörerisches System.

Ernährungsphysiologisch sind die Fisch-Empfehlungen der DGE unnötig, da Mikoralgenöle und Nori-Algen die gesamte Versorgung mit Jod und EPA/DHA bei weitaus weniger Umweltbelastung problemlos gewährleisten können.

  • Mikroalgenöl liefert EPA und DHA mit weniger Schadstoffrisiken. Studien zeigen, dass die Bioverfügbarkeit von Algen-DHA jener aus Fisch gleichwertig ist.
  • Nori-Algen enthalten Jod in moderater Menge und sind bei regelmäßigem Verzehr sicherer als Kelp oder Kombu, deren Jodgehalt zu Schilddrüsenproblemen führen kann. Im Gegensatz zu Fischzucht sind Algenfarmen umweltfreundlich, benötigen keine Düngemittel oder Süßwasser und binden CO₂. Ein neuer Forschungsartikel schildern zudem Klimavorteile der Algenproduktion.

Es entsteht von daher der zusammenfassende Eindruck, dass die DGE ökologischen Faktoren weiterhin kein ausreichendes Gewicht für ihre Empfehlungen zuweist.

Noch stärker gilt diese Einschätzung sogar für die Faktoren Tierwohl und soziale Aspekte:

Komplette Ausblendung des Tierwohls

Aus der Stellungnahme der DGE sind keine Hinweise erkennbar, dass Tierwohl abseits seiner Erwähnung auch nur den geringsten Einfluss auf die Empfehlungen gehabt hat.

Es ist offenkundig, dass durch einen Verzicht auf die fleischbasierte und tierproduktbasierte Produktion und den Konsum das Leid von jährlich mehr als 70 Milliarden Landtieren, mindestens einer Trillion Fische und einem Mehrfachen anderer Meerestiere massiv gesenkt werden könnte.

Die DGE stellt diesen Sachverhalt jedoch weder in ausreichender Klarheit dar, noch zieht sie daraus Folgerungen für die Ernährung. In Wirklichkeit bleibt Tierwohl für die DGE insofern irrelevant.

Kein Einfluss sozialer und wirtschaftliche Faktoren

Die DGE beschränkt sich bei sozialen und wirtschaftlichen Faktoren darauf, festzustellen, dass eine vegane Ernährung grundsätzlich nicht teurer sein müsse als eine omnivore Ernährung. Eine vegane Ernährung, die nicht vorrangig auf Ersatzprodukten beruht und sich auf den direkten Konsum vollwertiger Pflanzen bezieht, kann in Wirklichkeit bei hoher Vollwertigkeit preiswerter sein als eine omnivore Ernährung.

Komplett übersieht die DGE auch den entscheidenden globalen sozialen Faktor, dass durch die mit der omnivoren Produktions- und Konsumweise einhergehenden Umweltverheerungen die weltweite Ernährungssicherheit gefährdet wird, was insbesondere die Menschen im globalen Süden bereits jetzt trifft und künftig mit noch größerer Wucht treffen wird.

Ebenso verpasst es die DGE, die Verbindungen zwischen der tierbasierten Ernährungsindustrie – Landwirtschaft und Verarbeitung – und der massenhaften Produktion hochwertiger pflanzlicher Nahrungsmittel (z. B. Soja) für die Tierfütterung zu diskutieren. Dadurch werden Lebensmittel für den direkten Konsum durch den Menschen verknappt und verteuert. Diejenigen, die Tierprodukte essen, konsumieren indirekt den größten Teil des weltweit produzierten Sojas, das einen wertvollen Beitrag zur Ernährungssicherheit der Menschen im globalen Süden leisten könnte.

Die tierbasierte Landwirtschaft wird in der Europäischen Union mit Milliarden subventioniert. Bei Streichung dieser Subventionen und Verlagerung auf eine pflanzenbasierte Ernährung würde eine vegane Ernährung bei weitem preiswerter werden. Die DGE setzte sich mit dieser Thematik leider nicht auseinander.

Ökologische und soziale Faktoren stehen tatsächlich in enger Interaktion miteinander:

  • Eine vor Kurzem in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America veröffentlichte Studie gelangt zu dem Ergebnis, dass eine weltweite vegane Ernährung bis zum Jahr 2050 jährlich 8 Millionen Menschenleben retten und die Treibhausgasemissionen um über 70% reduzieren könnte.

Die neuen Empfehlungen der DGE spiegeln diesen und weitere vergleichbare Befunde nicht wider. Letztlich bleiben ökologische, soziale/wirtschaftliche und auch tierethische Aspekte Camouflage, ohne in die Empfehlungen tatsächlich einzufließen.

Unzureichende Bewertung für Kinder und vulnerable Gruppen

Die DGE hat sich auf die bequeme Position zurückgezogen, eine vegane Ernährung für vulnerable Gruppen – darunter Schwangere, Stillende, Kinder aller Altersstufen sowie Senior:innen – weder abzulehnen noch zu befürworten.

Dies ist insofern begrüßenswert, als sich dadurch Diskriminierungen gegen diese Gruppen in der Gesellschaft verringern dürften. Da die DGE nun die vegane Ernährung nicht mehr als eine Mangel- oder Risikokost darstellt, werden vermutlich künftig Kindertagesstätten und Schulen die vegane Ernährung zunehmend anbieten. Gerichte werden vegane Eltern nicht mehr in Sorge- und Familienrechtsverfahren unter Druck setzen, und veganen Eltern und Familien wird insgesamt ein entspannteres Leben möglich sein. Vor dem Hintergrund der starken Diskriminierung veganer Familien im heutigen Alltag ist dies fraglos ein wesentlicher Fortschritt.

Dennoch bleibt die Position der DGE inkonsequent, fast so, als ob der Fehler der alten Position zwar korrigiert, aber nicht eingestanden werden sollte:

  • Die DGE bringt keinerlei Evidenz für eine Gefährdung dieser Gruppen durch eine gut geplante vegane Ernährung. Im Gegenteil: Selbst im Kinderbereich zeigen sich Anzeichen, die erwarten lassen, dass vegan aufwachsende Kinder in der Zukunft massive Gesundheitsgewinne erreichen werden. So ist das LDL-Cholesterin bei veganen Kindern substanziell niedriger. Genau dies ist jedoch einer der stärksten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen, die wiederum die häufigste Todesursache in der Allgemeinbevölkerung darstellen. Mittlerweile wissen wir, dass sich diese Erkrankungen über Jahrzehnte still aufbauen, ohne dass die Betroffenen dies bemerken. Vielmehr bemerken es viele sogar erst dann, wenn der erste Herzinfarkt eintritt. Wenn vegane Kinder also mit einem niedrigeren LDL-Cholesterin aufwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich dies in der Zukunft in einer substanziellen Senkung ihrer Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen auswirken wird.

Die DFG übersieht dabei auch einen zentralen psychologischen Sachverhalt:

  • Die frühe Ernährung in der Kindheit prägt unser Ernährungsverhalten oft lebenslang. Es entstehen Gewohnheiten, die so stark sind, dass viele Schwierigkeiten haben, sie zu ändern – und sie lebenslang beibehalten. Wenn Kinder vegan aufwachsen, bestehen damit erheblich höhere Chancen, dass sie die von der Gesundheitswissenschaft empfohlene pflanzenbasierte Ernährung umsetzen werden.

Die vegane Ernährung von Kindern ist damit nicht nur ein potenziell langfristig wirksamer Beitrag zur Gesundheit, sondern auch ein Beitrag zum Klima- und Umweltschutz, zur Erhaltung der Lebensgrundlagen für künftige Generationen und für andere Tierarten.

Die DGE hätte sich vor dem Hintergrund ihrer eigenen Befundlage zu einer expliziten positiven Empfehlung für eine vegane Ernährung für Kinder und andere vulnerable Gruppen – unter der Voraussetzung guter Planung, wie bei jeder Ernährung – entscheiden müssen.

Resümee zur neuen DGE-Stellungnahme: Fortschritt mit erheblichen Defiziten

Entwicklung der DGE-Position zur veganen Ernährung

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat sich in ihrer neuen Stellungnahme zur veganen Ernährung deutlich geöffnet. Wurde vegane Ernährung früher noch teils als riskant dargestellt, insbesondere für vulnerable Gruppen, so erkennt die DGE nun ausdrücklich an, dass eine gut geplante vegane Ernährung für gesunde Erwachsene gesundheitsförderlich sein kann. Auch für Kinder, Schwangere, Stillende und ältere Menschen wird veganer Ernährung nun prinzipiell eine Möglichkeit eingeräumt – unter Vorbehalt.

Diese Neubewertung stützt sich auf systematische Übersichtsarbeiten, Metaanalysen und Einzelstudien. Zusätzlich berücksichtigt die DGE nun drei weitere Aspekte neben der Gesundheit: Ökologie, soziale Faktoren und Tierwohl. Dies stellt einen konzeptionellen Fortschritt dar.

Tiefgreifende verbleibende Defizite

1. Ökologie und Klimakrise nur rhetorisch berücksichtigt

Obwohl die DGE die massive ökologische Überlegenheit der veganen Ernährung dokumentiert, verbleibt sie bei gleichrangigen Empfehlungen für omnivore, vegetarische und vegane Kost. Die Dramatik des Klimawandels – einschließlich Milliarden zu erwartender Klimaflüchtlinge – wird nicht in ihrer normativen Konsequenz berücksichtigt. Eine vegane Ernährung wäre aus Sicht der ökologischen Dringlichkeit die einzig logische Empfehlung.

2. Empfehlung von Fisch trotz katastrophaler Umweltfolgen

Die DGE empfiehlt weiterhin den regelmäßigen Konsum von Fisch, ignoriert jedoch die dramatischen Auswirkungen industrieller Fischerei: Überfischung, CO₂-Freisetzung durch Grundschleppnetze, Beifang, zerstörte Meeresökosysteme und problematische Aquakultur. Nachhaltigkeitssiegel wie MSC und ASC gelten weithin als Greenwashing – dieser Kritikpunkt bleibt von der DGE vollständig unberücksichtigt.

3. Tierwohl faktisch ausgeblendet

Zwar erwähnt die DGE das Tierwohl und dessen Bedeutung für vegan lebende Menschen, aber es fließt in keiner Weise in ihre Empfehlungen ein. Das massive Leid von jährlich über 70 Milliarden Landtieren sowie einer Trillion Fische wird nicht zur Grundlage ethischer Ernährungsempfehlungen gemacht.

4. Soziale Gerechtigkeit vernachlässigt

Die DGE ignoriert, dass die tierproduktbasierte Ernährungsweise direkt zur Bedrohung globaler Ernährungssicherheit beiträgt, insbesondere im globalen Süden. Durch Futtermittelproduktion für Tiere (z. B. Soja) werden pflanzliche Lebensmittel für Menschen verknappt und verteuert. Auch die Subventionierung tierbasierter Landwirtschaft bleibt unkommentiert.

5. Keine klare Positionierung für vegane Kinderernährung

Trotz positiver Studienlage – insbesondere beim LDL-Cholesterin – und der Tatsache, dass die frühkindliche Ernährung lebenslange Gewohnheiten prägt, vermeidet die DGE eine explizite Empfehlung für vegane Kinderernährung. Statt Fortschritt wird hier Halbherzigkeit deutlich.

Ausblick und Erwartung

Die DGE hat mit ihrer Neubewertung einen wichtigen ersten Schritt getan. Wissenschaftlich und ethisch lässt sich jedoch eine Gleichbehandlung von veganer, vegetarischer und omnivorer Ernährung nicht mehr rechtfertigen, wenn Gesundheit, Klima, Tierwohl und globale Gerechtigkeit berücksichtigt werden.

Die Erwartung an die DGE aus veganer und rationaler Sicht ist eindeutig:

  • Sie muss den Weg, den sie nun angedeutet hat – einer wissenschaftlich fundierten, ökologisch verantwortlichen und sozial gerechten Bewertung der veganen Ernährung – konsequent fortsetzen. Angesichts der ökologischen Krisen, der gesundheitlichen Vorteile und der ethischen Implikationen wird sie nicht umhinkommen, in naher Zukunft die vegane Ernährung als Standardernährung für Menschen aller Altersgruppen und Lebensphasen zu empfehlen – als Ausdruck wissenschaftlicher Redlichkeit und gesellschaftlicher Verantwortung.

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