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Von Stierkampf und Schweinefleisch-Kultur – eine vegane Perspektive

Von Stierkampf und Schweinefleisch-Kultur – eine vegane Perspektive

In Anbetracht des Todes des Tereros Victor Barrio wird der Stierkampf in den Spanien von Trauernden und denjenigen, die die Trauer für sich zu nutzen wissen, gerade erneut als geradezu unverzichtbarer Teil der spanischen Kultur besungen. Der Tod des Toreros scheint bei diesen besonderen Kulturhütern die Begeisterung für ein Spektakel noch zu befeuern, bei dem ein durch die Regeln des Spektakels bereits dem Tode geweihtes Tier vor den Augen von Zuschauern tatsächlich zu Tode geschunden wird. Wo eine Tradition zu schützen ist, da verhallen andere Argumente.

Doch nicht nur im sonnigen Spanien, sondern auch hierzulande in Deutschland geht es derzeit maßgeblichen Kräfte um die Bewahrung von Traditionen:

Nachdem die AfD sich bereits wiederholt für den Schutz der deutschen Schweinefleisch-Kultur engagierte (siehe hier und hier) und auch Ernährungsminister Christian Schmidt von der CSU das Thema ebenso offensiv anging, hat sich jetzt auch Bundeskanzlerin Merkel für den Konsum von deutschen Schweinefleisch in Mensen und Kantinen stark gemacht. Es solle dort weiterhin oder wieder regelmäßig Schweinefleisch zu essen geben.

Frei nach dem Motto „den Splitter im fremden Auge, nicht aber den Balken im eigenen Auge sehens“ endet also beim Schwein die Empörung. Beim spanischen Stierkampfsieht es hierzulande ganz anders aus, wenn von Ausnahmemeinungen, wie dem von Matcho-Geist durchtränkten Lobeslied des FAZ-KorrespondentenPaul Ingendaay auf den Stierkampf abgesehen wird. Dass die deutsche Schweinefleisch-Industrie jedes Jahr das Leben von Abermillionen von Tieren kostet, deren Witz und Intelligenz jeder kennt, der sich mit ihnen beschäftigt, interessiert die Traditions-Bewahrer offenbar nicht. Dem Tod der Schweine voraus geht dabei in der Regel ein millionenfacher Erstickungskampf, die beißendem CO2-Gas ausgesetzt werden, welches keineswegs zur sofortigen Bewusstlosigkeit führt.

Für die überwältigende Mehrheit der Tiere war aber bereits zuvor ihr gesamtes Leben und der Transport eher die Hölle auf Erden als „artgerecht“ – übrigens tatsächlich anders als das Leben der Kampfstiere, die jahrelang auf großen Weiden leben, bevor sie grausam zur Volksbelustigung exekutiert werden.

Zehntausenden, wohl eher hunderttausenden Schweinen kommtnicht einmal das Glück zu, letztlich durch das Co2 betäubt zu werden. Sie werden stattdessen bei vollem Bewusstsein in kochendem Wasser zu Tode gebrüht. Ihre Körper aber sollen – so fordern es AfD und CDU/CSU – unbedingt wieder regelmäßig in Kantinen und Mensen in ganz Deutschland zur Verspeisung angeboten werden. Heimat- und Traditionsschutz nennt sich eine solche Argumentation.

Den Tierverächtern von AfD und CDU/CSU, die nun für das deutsche Schweinefleisch kämpfen, geht es in Wirklichkeit um etwas anderes:

Sie wollen ein Zeichen gegen Muslime setzen, die kein Schweinefleisch essen, oder sie wollen sich an einen Bevölkerungsteil anbiedern, dessen Ressentiments sie nähern. Mindestens für die AfD dürfte Fremdenfeindlichkeit und Schüren von Ressentiments das Hauptmotiv sein, Merkels Einsatz für Schweinefleisch mag wohl eher als opportunistisch-defensive Reaktion zur Beruhigung der Bevölkerung und ihrer eigenen Partei gewertet werden. Für solche Zwecke ist den Protagonisten die Nutzung von Tierleid recht, aber sie nehmen sogar die Gesundheitsgefährdung der eigenen Bevölkerung durch das Schweinefleisch in Kauf. Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen hat nach ihrer Logik Schweinefleisch vorgesetzt zu werden. Nur so scheint nach ihrer Ansicht, die „deutsche Kultur“ zu bewahren sein.

Der Veganismus setzt diesen "Volks- und Heimatschützern", die es übrigens in allen Kulturen gibt, eine andere Perspektive entgegen:

Blutrünstige Traditionen gilt es nicht zu bewahren, sondern abzuschaffen. Dies gilt ebenso für den spanischen Stierkampf wie für die deutschen Schweinemassaker und für alle Massaker an unschuldigen Tieren, die täglich in allen Teilen der Welt durchgeführt werden. Entnutzung statt kulturelle Nutzungs-Vorlieben, Beendigung der Tötung statt kultureller Tötungs-Vorlieben - dies ist die vegane Antwort auf eine Form der reaktionären Sittenbewahrung, die Tierleid mit kulturellen Argumenten für alle Zeiten festschreiben will. Die vegane Quintessenz ist, dass es keinen Grund für Kulturen oder besser ihre selbsternannten Vertreter gibt, stolz darauf zu sein, in welcher Art und Weise sie Tiere niedermetzeln, sie zubereiten oder essen.

Weil sich die vegane Perspektive für die Abschaffung aller Tiermassaker einsetzt, ist ihr Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wesensfremd. Keine Kultur und keine Nation ist an den Pranger zu stellen, sondern vegan heißt, überall auf der Welt für die Abschaffung der Tierausbeutung zu kämpfen - in denStierkampfarenen ebenso wie in den Schlachthäusern und Küchen. Ob Tiere in Deutschland, in der Türkei, in Syrien oder in den Philipinen gequält und zu Tode gebracht werden, ist dabei irrelevant. Ebenso ist es irrelevant, ob es Hühner, Kühe und Schweine oder Hunde und Katzen sind.

Entsprechend lautet die vegane Antwort natürlich nicht, in den Kantinen künftig kein Schweinefleisch, sondern nur noch Fleisch von Rind und Huhn anzubieten. Die Antwort lautet vielmehr, für Kantinen zu streiten, in denen es kein Fleisch und keine Tierprodukte mehr gibt. Dies würde den Menschen die Chance geben, die Möglichkeit einer gesunden und abwechslungsreichen, Tiere und Menschen achtenden veganen Ernährung kennenzulernen. Weil Fortschritt oft Zeit braucht und steter Tropfen den Stein höhlt, kommen dabei auch Veganer und Veganerinnen aber nicht daran vorbei, sich für Zwischenlösungen, wie den fleischfreien Montag oder mindestens ein veganes Gericht jeden Tag, einzusetzen.

Selbst aus nicht veganer Perspektive wäre die Einführung von veganem Essen in allen Kantinen wünschenswert. Denn die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu einem nur noch minimalem Fleischkonsum gehen an der Wirklichkeit in der Gesellschaft völlig vorbei. Offensichtlich gelingt es der großen Mehrheit der Menschen nicht, sich an diesen Empfehlungen zu orientieren. Die Zeche zahlen nicht nur die Tiere, die Umwelt, die Menschen in der dritten Welt (Trikont) und künftige Generationen, sondern auch die Esser selbst, die so einer vermeidbaren Gefährdung ihrer Gesundheit ausgesetzt werden.

Wären aber alle Kantinen vegan, könnte der Fleischkonsum auch im Gesamten reduziert werden. Wohl würden die meisten Menschen weiterhin Fleisch essen, aber wenigstens eine Hauptmahlzeit am Tag wäre jedenfalls für die Kantinenesser fleischfrei und vegan. Vegan als kleinster gemeinsamer Nenner aller Religionen und Kulturen im Hinblick auf erlaubte Lebensmittel, ist insofern die beste - und auch einfachste - Lösung.

Die Vertreter der Schweinefleisch-Kultur von AfD und CDU/CSU werden sich aber von solchen rationalen Argumenten kaum beeinflussen lassen. Wer so weit geht, die massenhafte Tötung, Zerstückelung und Verkochung von Tieren zum lebensnotwendigen Bestandteil der eigenen Kultur zu erklären, dessen Bild von Kultur, Tradition und Menschsein lässt Fortschritt, Umdenken und Veränderung schwerlich zu. Es wird daher noch viel und langer Aufklärungsarbeit bedürfen, bis es uns als Menschen gelingen mag, unsere tier-und menschenverachtenden Traditionen endlich dorthin zu verfrachten, wo sie hingehören: in den Mülleimer der Geschichte.

Bereits jetzt zeigen aber Millionen Menschen, die vegan leben, dass eine andere Welt möglich ist und eine menschenwürdige und tierwürdige Gesellschaft geschaffen werden kann. Von den Stierkampf- und Schweinefleisch-Kulturhütern wollen sie sich nicht aufhalten zu lassen.

Verfasser: Guido F. Gebauer

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