Förderung des Veganismus: Moralische Entwertung kann schaden

Förderung des Veganismus: Moralische Entwertung kann schaden

Lassen sich Omnivoren (Mischköstler, die auch Fleisch essen) durch die Infragestellung ihres moralischen Handelns in ihren Vorlieben für vegane oder nicht-vegane Produkte beeinflussen?

Diese Frage hat Paul Hennigan im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit an der Salem-State-University in den USA untersucht.

Omnivoren wurden gebeten, den Geschmack eines als vegan oder klassisch bezeichneten Cookies zu bewerten. In Wirklichkeit handelte es sich um die exakt gleiche Rezeptur. Außerdem wurden die Teilnehmer gebeten, ihre eigene Moralität auf einer Rating-Skala einzuschätzen. Auf der gleichen Skala schätzen die Teilnehmenden ein, wie wohl vegan lebende Personen ihre Moralität beurteilen würden. Schließlich wurde noch die Einstellung zu Veganern durch Einschätzung anhand mehrerer sich gegenüberstehender Adjektive (z.B. dumm – intelligent, egoistisch –großzügig) erhoben.

Das Ausmaß der subjektiv wahrgenommenen moralischen Entwertung wurde durch die Differenz zwischen der Einschätzung der eigenen Moralität und der angenommenen Einschätzung durch Veganer definiert. Wenn ein Teilnehmer sich selbst also als hoch moralisch einschätzte, aber annahm, dass Veganer ihn als unmoralisch einschätzen würden, war der Differenz-Wert hoch.Je höher der Differenz-Wert, desto eher hatten die Teilnehmenden entsprechend die Überzeugung, dass vegan lebende Personen sie - entgegen ihres eigenen Selbstbildes - als unmoralisch einschätzen würden.

Ergebnisse

Keinem der Beteiligten fiel auf, dass es sich um identische Cookies handelte. Es zeigten sich drei signifikante Hauptbefunde:

- Je höher die subjektiv wahrgenommen moralische Entwertung war, desto stärker war die Präferenz der Omnivoren für den nicht-veganen Cookie

- Je höher die subjektiv wahrgenommen moralische Entwertung war, desto negativer waren die Einstellungen zu Veganern

- Je positiver die Einstellungen zu Veganern waren, desto höher war die Präferenz für den veganen Cookie

Schlussfolgerungen

Die Befunde mögen als Warnung dienen, dass eine reine moralische Verurteilung von Omnivoren nicht effektiv sein dürfte, um diese zu einer Verhaltensänderung zu motivieren. Im Gegenteil, mögen Personen, die sich moralisch abgewertet fühlen, ihrerseits mit negativen Einstellungen zu veganen Lebensmitteln und veganen Menschen reagieren. Dies wiederum dürfte ihre Motivation, zur veganen Lebensweise zu wechseln, eher reduzieren.

Hier scheint sich ein Dilemma zu ergeben:

- Zahlreiche Veganer berichten, dass sie aufgrund der moralischen Unzulässigkeit des Konsums von Fleisch und anderen Tierprodukten zur veganen Lebensweise gefunden haben. Auch in unserer laufenden Umfrage „Warum vegan“ ist bereits jetzt ersichtlich, dass dieses Motiv das wichtigste Motiv für den Wechsel zur veganen Lebensweise und deren Aufrechterhaltung ist.

- Andererseits mag eine moralische Argumentation bei Omnivoren zu einem Gefühl der moralischen Entwertung führen. Dies mag sie von einer Verhaltensänderung sogar eher abhalten. Es können negative Bewertungen von veganen Lebensmitteln und veganen Menschen resultieren.

Sachlage ist, dass der Veganismus wächst, aber nur sehr langsam. Obwohl die moralische Argumentation gegen das Tierleid gesellschaftlich durchaus eine erhebliche Bekanntheit erreicht hat, setzt die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung seit Jahrzehnten ihren Fleischkonsum unverändert fort. Von einer veganen Gesellschaft sind alle Gesellschaften auf dieser Welt weit entfernt.

Die moralische Argumentation scheint insofern zwar in Einzelfällen Wirkung zu entfalten, sie genügt aber offenbar nicht, um die Mehrheit der Bevölkerung für den Veganismus gewinnen zu können. Ein Grund hierfür könnte auch darin liegen, dass Omnivoren sich als angegriffen erleben und dann durchaus trotzig ihrerseits mit Abwertungen von Veganern und veganen Lebensmitteln reagieren.

Als Alternative böte sich an, die vegane Lebensweise mit vorwiegend nicht-moralischen Argumenten zu verbreiten (Gesundheit, Fitness). Allerdings ist eine solche Strategie ebenfalls hochriskant. Jede alternative Möglichkeit einer gesunden Ernährung, z.B. durch Fleischreduktion oder eine veränderte Auswahl an Tierprodukten, würde so die Motivation schwächen, vegan zu werden oder vegan zu bleiben. Außerdem könnten so gar keine Veränderungen des Bekleidungsverhaltens erreicht werden, da diese kaum gesundheitlich relevant sind.

Den Stein der Weisen gibt es nicht. Die schnelle Aufgabe des Fleischkonsums ist gesamtgesellschaftlich nicht zu erreichen. Das Ziel einer veganen Gesellschaft kann nur als Fernziel verstanden werden.

Folgenden Strategien dürften am ehesten wirksam sein:

- Die moralische Argumentation ist notwendig, es sollte aber zwischen der Kritik am Verhalten und der Kritik am Menschen unterschieden werden. Es ist wichtig, Omnivoren deutlich zu machen, dass es nicht um eine Verurteilung von ihnen als Menschen geht, sondern lediglich um die Beseitigung von Tierleid und den anderen negativen Folgen des Fleisch- und Tierproduktekonsums.

- Betont entwertende Argumentationen sollten vermieden werden, da sie nicht zum Ziel führen. Im Gegenteil, sollten die guten moralischen Eigenschaften der Gesprächspartner aufgegriffen und ihnen deutlich gemacht werden, dass sie diese durch die vegane Lebensweise noch besser zur Geltung bringen können.

- Je einfacher der Weg zur veganen Lebensweise ist, desto eher werden sich Menschen für ihn entscheiden. Gemeinsam mit der Darlegung der positiven Gründe für die vegane Lebensweise, sollte die einfache Machbarkeit der veganen Lebensweise durch Tipps und Unterstützung mit in den Vordergrund der Argumentation gestellt werden.

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