Fleisch, Frauenverachtung und rohe Gewalt

Fleisch, Frauenverachtung und rohe Gewalt

Fleischkonsum ist deutlich geschlechtsassoziiert: Männer essen mehr Fleisch als Frauen. Frauen ernähren sich öfter vegetarisch oder vegan als Männer.

Amy Calvert hat in einem aufschlussreichen im Journal of International Women’s Studies die Zusammenhänge zwischen Hypermaskulinität, Frauenunterdrückung und Fleischkonsum herausgearbeitet.

Ihre Analyse bezieht sich auf die US-amerikanische Reality-TV-Show Man V. Food. In dieser Show reist der Schauspieler Adam Richman quer durch die ganze USA reist und nimmt an Wettbewerben zum Mega-Konsum von Nahrungsmitteln teil. Fleisch steht im absoluten Mittelpunkt.[nbs

Essen wird in dieser TV-Serie als Ausdruck eines Kampfes dargestellt.

Richman geriert sich hypermaskulin als eine Art Supermann, dersich dem Kampf stellt und durch den Konsum von hohen Mengen an Tierprodukten seine Maskulinität unter Beweis stellt.Fleisch wird gleichgesetzt mit Stärke, Macht und Durchhaltevermögen. Der echte Mann isst Fleisch und er isst es in großen Mengen. Je mehr Fleisch er in desto kürzerer Zeit essen kann, desto mehr ist er ein Mann. Dies sind die Botschaften, die in Man V. Food vermittelt werden.

Essen ist demnach kein friedlicher, kein sozialer, kein genussvoller und auch nicht nur ein notwendiger Prozess zur Lebensaufrechterhaltung, sondern Essen ist ein Kampf des Menschen resp. Mannes gegen die Nahrung. Essen ist kriegerisch. So wundert es nicht, dass diese Nahrung von Tieren stammen und gerne blutig sein sollte. Zum Synonym für Männlichkeit wird die auf gewaltsame Art und Weise erbeutete Nahrung, das geschlachtete und zerstückelte Tier, welches sich als Fleisch einverleibt wird. Wenn er schon nicht mehr ums Überleben kämpft, kämpft der moderne Mann wenigstens gegen gigantische Fleischmengen, die er restlos durch Auffressen vernichten oder in Besitz nehmen möchte.

Amy Calbert zeigt auf, dass Fleischkonsum in Man V. Food zum Vehikel für die Vermittlung einer gewaltsamen Macho-Sicht auf die Gesellschaft im Allgemeinen wird. So wie Männer für sich in Anspruch nehmen, Frauen dominieren und entrechten zu können, so werden Tiere dem Fleischkonsum als ein Ritual zur Aufrechterhaltung einer hypermaskulinen Weltsicht unterworfen.

Freilich sind es nicht Männer im Allgemeinen, sondern die Anhänger von Man V. Food sind unaufgeklärte Männer und sich mit ihnen identifizierende unaufgeklärte Frauen, die Frauenunterdrückung und Fleischkonsum als Ritual zur Bestätigung ihrer "Maskulinität" oder ihrer abhängigen Unterwerfung unter diese "Maskulinität" praktizieren. Rohe Gewalt oder die Identifikation mit dieser tritt an die Stelle von intellektueller Reflektion, Empathie und Prosozialität.

Man V. Food ist ein extremes Beispiel für eine anhaltende Assoziation des Konsums von Tieren mit angeblichen maskulinen Werten. Tatsächlich sind diese Präsentation und dieser Konsum nicht nur frauenverachtend und tierverachtend, sondern ebenso männerverachtend, da Männern die Rolle des stumpfen Macho zugewiesen wird. Zu vermuten ist, dass diejenigen Männer, aber auch diejenigen Frauen, die sich mit einer solchen Maskulinität identifizieren, Selbstwertdefizite aufweisen, die sie durch eine bizarr-gewaltbetonte hypermaskuline Sichtweise auf "Männlichkeit" zu kompensieren trachten.

Allerdings ist Fleischkonsum keineswegs nur ein Problem rückständiger Pseudo-Männlichkeits-Fanatiker, wie sie in der Man V. Food zu betrachten sind. Fleischkonsum zieht sich durch die ganze Gesellschaft und wird mehrheitlich sowohl von Frauen als auch von Männern praktiziert. Sein Gewaltcharakter tritt hier nicht offen-brutal zutage, sondern er verbirgt sich hinter raffinierten Zubereitungen und Formveränderungen, die den blutigen und brutalen Charakter des Fleisches unsichtbar machen. Fleischkonsum tarnt sich als friedfertiger und genussvoller Nahrungsmittelkonsum, obwohl das Fleisch den Tieren einstmals blutig und leidbesetzt entrissen wurde.

Es sind nicht nur offensichtlich rückständige Männer und Frauen, es sind ebenfalls Männer und Frauen, die sich ansonsten für Gleichberechtigung und prosoziale Werte einsetzen, und die dennoch bedenkenlos aus den Brüsten weiblicher Kühe gezapfte Muttermilch fein als Joghurt oder Quark konsumieren oder die Menstruationsprodukte weiblicher Vögel verzehren. Auch die Kälber vergewaltigter Kühe werden als Nahrungsmittel garniert mit Kartoffeln und etwas Gemüse auch von solchen Menschen oftmals gerne gegessen, die sich ansonsten gegen Ausbeutung und Gewalt einsetzen oder jedenfalls meinen, dies zu tun. Sie bemerken nicht einmal - oder blenden es erfolgreich aus - das sie hiermit die brutale Macho- und Ausbeuterwelt unterstützen, der die Zuschauer von Man V. Food begeistert zujubeln.oh Es ist eine Welt, in der das Recht des stärkeren gilt und der Zweck der Schwächeren, sogar ihr Lebensrecht, si h auf die Befriedigung des Stärkeren beschränkt. Durch Kartoffeln, Gemüse und Soße verdeckt, ist es eine Welt die keine Gleichberechtigung und kein Erbarmen mit dem Unterlegenen kennt.

In gewisser Weise ist Man V. Foodsogar ehrlicher als die Mehrheitsgesellschaft, die gleichzeitig tierlieb und friedfertig sein möchte und ein Kalbsragout genießen will. Man V. Food ist fraglos ehrlicher als die angeblich 42 Millionen Flexitarier in der Bundesrepublik Deutschland, die trotz ihrer riesigen Anzahl rein gar nichts an Massentierhaltung und Massenschlachtung von Tieren geändert haben, weil sie das Label Flexitarier als Deckmantel für die Fortführung einer Ernährung verwenden, die tatsächlich genau so brutal, grausam und rückständig ist, wie es in Man V. Food gezeigt wird.

Dies macht Man V. Food nicht besser. Man V. Food ist eine gefährliche Sendung, weil Man V. Food nicht nur den kriegerischen Charakter des Fleischkonsums wahrheitsgemäß enthüllt, sondern versucht, Menschen zur positiven Identifikation mit diesem kriegerischen Charakter zu gewinnen. Wer seine Grausamkeit nicht einmal mehr verbergen möchte, sondern sie offen zeigt und stolz auf sie ist, wird aber kaum dafür gewonnen werden können, sie abzulegen, sondern er mag sie sogar steigern.

Man V. Food ist damit das propagandistische Gegenmodell gegen den vegane Trend, der versucht diejenigen Menschen für die vegane Sache zu gewinnen, die grundsätzlich bereits erreichbar sind, weil sie sich von der Grausamkeit des Fleischkonsums wenigstens bereits abschirmen, anstatt selbst jagend, schlachtend und Fleisch in Riesenmengen fressend durch die Lande zu ziehen. So inkonsequent sie auch sind, so ist ihr Aufklärungsgrad dennoch höher. Dadurch werden sie für die vegane Lebensweise empfänglich, wenn es gelingt, diese als ebenso notwendig wie lebbar darzustellen.

Amy Calvert kommt das Verdienst zu, den Zusammenhang zwischen Fleischkonsum, primitiver Hypermaskulinität, Frauenverachtung und roher Gewalt in aller Klarheit herausgearbeitet zu haben. Dem können und sollten vegan lebende Menschen konsequent den Veganismus als friedfertige, menschenwürdige, ökologisch verträgliche, prosoziale und mitfühlende Lebensweise entgegenstellen.

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